Handysucht

Zürcher Gymi Schülerinnen und Schüler verlangen elterliche Handyregeln

Gemäss einer Umfrage unter 735 Schülerinnen und Schüler von Zürcher Gymnasien, sind acht von zehn Jugendlichen dankbar für verbindliche Smartphone Regeln.

Die Studie zeigt, dass Alterskohorte der entscheidende Faktor sind, wie mit Bildschirmzeit Regeln umgegangen wird. Bildschirmzeit Regeln scheinen dann am wichtigsten, wenn deren Sinn von Kindern noch nicht verstanden wird.

„Die Resultate bestätigen eine Wahrnehmungslücke, die ich seit Längerem beobachte“, sagt Beat Richert, Medienpädagoge und Autor der Studie. „Eltern sind vielfach gehemmt, klare und verbindliche Mediennutzungsregeln zu erstellen, weil sie Aggressionen und Frustration ihrer Kinder befürchten“, erwähnt Richert.

Diese Frustration gibt es tatsächlich, scheint jedoch im Alter von zwölf bis dreizehn Jahren ihren Zenit zu erreichen. Gemäss der Studie ist in diesem Alter auch der Prozentsatz der Kinder, die heimlich den Internet-Zugangscode knacken, am höchsten. Gleich nach diesem Lebensabschnitt setzt jedoch die Erkenntnis von Sinn und Zweck von Bildschirmzeitbeschränkungen ein. So bestätigen 92% der befragten Jugendlichen, dass sie im jetzigen Durchschnittsalter von 16 Jahren die Notwendigkeit von Bildschirmzeit Einschränkungen begreifen und begrüssen. Eine Mehrheit der Befragten (52%) erwähnt denn auch, dass sie selbst versuchen, die Handyzeit zu beschränken, es jedoch nicht schaffen.

„Bildschirmzeit Regeln sind dann am wichtigsten, wenn deren Sinn von den Kindern noch nicht verstanden wird. Es ist für Kinder und Jugendliche schlichtweg unmöglich, der inhaltlichen Reizüberflutung und der suchtfördernden Technologie von Handys widerstehen zu können“, ergänzt Richert. Hass auf die Regelsetzer ist normal. Besonders in der Adoleszenz gehören diese Gefühle zum Prozess des sich selber finden.

Klare und verbindliche Mediennutzungsregeln, verbunden mit einem offenen und regelmässigen Austausch, scheinen unabdingbar. Ein Austausch unter Eltern, zum Beispiel im Rahmen eines interaktiven Elternabends an der Schule, kann eine kontrollierte und bewusste Nutzung von Bildschirmmedien auch fördern.

Die komplette Studie ist hier verfügbar.

Den Beitrag dazu auf 10 vor 10 im Schweizer Fernsehen: https://www.srf.ch/play/tv/-/video/-?urn=urn:srf:video:41c84845-c224-433d-a3c1-175f741d2f1f

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Fluch und Segen des Smartphones

Eine wichtige und gelungene Diskussion über das Smartphone in der SRF Sendung „Sternstunde Philosophie“. Wir brauchen wederTechnologie Verteufler noch früher-war-alles-besser Argumente, sondern eine differenzierte und aufklärende Diskussion über die unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Technologie. Es ist nicht nur das technische Verständnis der Smartphone Blackbox, sondern sogar unsere Fantasie und Vorstellungskraft über das, was mit digitaler Technologie gemacht werden kann, an dem es uns fehlt. Tägliche Aufklärung durch einen ergebnisoffenen und konstruktiven Dialog, gerade auch zwischen jung und alt, ist angesagt!

Hier geht es zur 60 minütigen Sendung : https://www.srf.ch/play/tv/sternstunde-philosophie/video/digital-detox—das-smartphone-ein-gift?urn=urn:srf:video:93e14955-0f5b-46c8-b0de-420920f0973d

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Vom Märchen, dass digitale Medien dick, dumm und einsam machen

In einem viel beachteten WIRED Artikel von 2008 suggerierte der damalige Chefredaktor Chris Anderson, dass im Zeitalter von „Big Data“ Korrelationen genügen und eine nachweisbare Kausalität überflüssig werde.

Wahrhaftig eine unverschämte Behauptung, die sich jedoch in den letzten fünfzehn Jahren schleichend immer mehr bestätigt hat, zumindest wenn es um die öffentliche Wahrnehmung von Phänomenen geht. Wir hüpfen von einer Schlagzeile zur Anderen und nehmen uns nicht die Zeit, Kausalitäten zu suchen, geschweige denn zu verstehen. Der Hahn schreit vor dem Sonnenaufgang. Dies ist eine nachweisbare Korrelation. Die Sonne geht jedoch nicht auf, weil der Hahn schreit – die Kausalität zu einer solchen Interpretation fehlt ganz offensichtlich.

Dieser Podcast von EDUCA mit dem „kalten Blick der Statistik“ auf das heiss diskutierte Thema der Digitalisierung der Bildung räumt mit vielen emotional getriebenen Falschinterpretationen auf und ist idealer Ausgangspunkt einer sachlicher Diskussion:

Kritisches Denken gegenüber der rasanten Digitalisierung sind berechtigt. Bestrebungen zu einer bewussten und gesunder Nutzung von digitalen Medien sind essenziell. Es ist jedoch falsch, schädlich und total überspitzt – insbesondere aus Sicht von älteren Menschen auf die Jugend – zu behaupten, dass digitale Medien dick, dumm und einsam machen. Was wir brauchen ist ein konstruktiver und kritischer Dialog, zwischen jung und alt.

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Techfreie Erziehung zum Wohle der Kinder: Denn das Smartphone sollte vor der Nutzung verstanden werden. Illustration: Benjamin Hermann

Stimmt es, dass die Kinder von Techbossen keine Handys haben? 

ELTERNFRAGE ZUR MEDIENERZIEHUNG

„Immer wieder höre ich von Geschichten, dass die Bosse der führenden Technologieunternehmen im Silicon Valley ihre Kinder viel strenger erziehen als allgemein üblich. Ihre Kinder schicken sie in Rudolf Steiner Schulen und anstatt Handys gibt es konsequent Waldspielgruppen und Holzspielzeuge. Wie viel stimmt von alldem und falls es zutrifft, wie lässt sich das erklären?“ Leserfrage von Boris aus Zürich


Lieber Boris, danke für die Frage. Dieses Thema wird tatsächlich seit Jahren immer wieder in verschiedenen Medien diskutiert, teils ideologisch emotional, teils faktenbasiert und wissenschaftlich. Ich werde mir in diesem Text entsprechend erlauben, die Spannbreite von wissenschaftlichen Erkenntnissen bis hin zu meinen väterlichen und beruflichen Erfahrungen auszuschöpfen.

Vier kulturelle Grundkompetenzen

Die Basis und sogleich der kulturelle Grundpfeiler unseres Bildungssystems ist die Fähigkeit, lesen, schreiben und rechnen zu können. Sobald unsere Kinder die sechsundzwanzig Buchstaben und zehn Zahlen kennen, werden Kombinationen geübt. So entstehen Wörter und zusammengesetzte Zahlen. Die eigentliche Magie dahinter besteht darin, dass gleichzeitig lesen und schreiben gelernt wird. Wir sind also nicht nur «Konsumenten» von Texten und Zahlen, sondern wir werden zugleich zu potenziellen Schriftstellerinnen, Poeten und Mathematikerinnen erzogen. Heute sprechen wir von der «digitalen Kompetenz» als vierte kulturelle Grundkompetenz. In der digitalen Bildungsentwicklung unterlief uns jedoch ein epochaler Fehler. 

Und so passierte es, dass Informatik mit Anwenderkompetenz verwechselt wurde.

In den frühen Achtzigerjahren wurde durch die Erfindung von Microsoft Windows die grafische Benutzeroberfläche dem breiten Publikum zugänglich. Die eigentliche Revolution dieser Windows waren die Pop-up-Fenster, die das Bedienen von Programmierzeilen vereinfachten beziehungsweise Letztere verdeckten. Das User Interface (Schnittstelle zwischen Mensch und Computer) war erfunden und nistete sich in Windeseile zwischen Programmierer und Benutzer ein. Und so passierte es, dass Informatik mit Anwenderkompetenz verwechselt wurde. Wir erlagen der kollektiven Illusion, dass das effiziente Bedienen von vielen Windows etwas mit Informatik zu tun hätte. In der Realität jedoch wurden wir zu Bedienern degradiert und Schicht um Schicht vom Programmiercode entfernt. 

Eine Generation von Anwendern

Dieser digitale Keil, der jahrelang zwischen dem Bedienen des Fensters (lesen) und dem Codieren (schreiben) geschlagen wurde, liess eine ganze Generation zu einer «Read only»-Generation heranwachsen. Durch die schleichende Entfernung vom eigentlichen Programmieren, hin zum Nutzen von Software-Anwendungen, wurden wir zu Anwenderinnen und Anwendern erzogen. Erst seit der Einführung des Lehrplans 21 der Deutschschweizer Kantone konnten unsere Schulen dieser gefährlichen Entwicklung entgegenwirken. 

Die digitale Elite im Silicon Valley ist sich dieser Entwicklung gezwungenermassen sehr bewusst. Und so erstaunt es auch nicht, dass viele Tech-Manager ihre Kinder im Umgang mit digitalen Medien strenger erziehen. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Hauptgründe: Einerseits um zu verhindern, dass die Kinder nur zu Anwenderinnen und Anwendern und Softwarenutzenden heranwachsen, andererseits um sie vor dem enormen Suchtpotenzial von Videogames und «sozialen» Plattformen zu schützen. 

Erfolgsrezept: Waldorfer Medienpädagogik

Medienpädagogik ist ein zentraler Baustein der Rudolf Steiner Schulen. Die ersten sieben Jahre sind jedoch auf analoge Medien gerichtet, um den Kindern möglichst umfassende Kompetenzen für die reale Welt zu geben. Darauf aufbauend werden ab dem zwölften Lebensjahr digitale Medienkompetenzen gelernt. Auch hier hat das Verstehen der Technologie mindestens das gleiche Gewicht wie das Anwenden von Programmen. So wird zum Beispiel ein alter Computer in Einzelteile zerlegt, um genau zu verstehen, wie dieser funktioniert. Die Kinder lernen Programmieren, logisches Denken und Probleme in Teilprobleme zu teilen, um Lösungen zu erarbeiten (in der Pädagogik wird dies auch «computational thinking» genannt). Die steigende Beliebtheit von Waldorfschulen (allein in Kalifornien gibt es vierzig Schulen) und die Erfolgsquoten der Schülerinnen und Schüler (94 Prozent der Abgängerinnen und Abgänger schaffen es danach ins College) zeugt vom Erfolg der Waldorfer Medienpädagogik.

Es ist auch kein Geheimnis, dass viele Silicon-Valley-Manager für ihre Kinder eine möglichst techfreie Erziehung anstreben. Sowohl der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs als auch Google-CEO Sundar Pichai und Snapchat-CEO Evan Spiegel hatten Smartphones unter 10 Jahren verboten und die Bildschirmzeit ihrer Kinder streng kontrolliert.

Das Smartphone ist zweifellos eine geniale Erfindung, die uns als omnipräsentes Werkzeug in praktisch jeder Lebenssituation zur Hilfe steht. Es sollte jedoch genau als solches wahrgenommen werden. Ob Hammer, Stichsäge oder Sackmesser, jedes Werkzeug muss vor seiner Nutzung verstanden werden. Das Smartphone sollte hier keine Ausnahme darstellen. Da es für ein Kind unter zehn Jahren praktisch unmöglich ist, die komplexe digitale Technologie hinter dem glatten Bildschirm zu verstehen, macht ein elterlicher Schutz vor diesem «Werkzeug» Sinn. Sobald ein bewusster und gesunder Umgang mit sozialen Medien, Videospielen erlernt ist, wird auch die rein quantitative Bildschirmzeit weniger wichtig.  

Oder wann hat Ihr Kind das letzte Mal eine Gebrauchsanleitung für Software gelesen?

Im Lehrplan 21, der im Kanton Zürich seit 2018 angewendet wird, wird das Thema «Medien und Informatik» als Modul oder auch «transversales Fach» gelehrt. Richtigerweise wird dabei zwischen Medienbildung (kritisches Denken und Medienverständnis), informatischer Bildung (computational thinking und coden) und Anwenderkompetenzen (Nutzung von Programmen) unterschieden. Da die Silicon-Valley-Konzerne alles daransetzen, dass die Anwendung ihrer Erzeugnisse so einfach wie möglich ist (wann hat Ihr Kind das letzte Mal eine Gebrauchsanleitung für Software gelesen?), sollte der Fokus der Medienbildung in der kritischen Selbstreflexion und im informatischen Grundverständnis liegen. Unsere elterliche Unterstützung in der Medienerziehung ist hierbei unerlässlich. Nicht alle Kinder werden programmieren können, aber alle Kinder sollten wissen, was Programmiererinnen und Programmierer können. 

Dieser Artikel wurde erstmals publiziert im Tages-Anzeiger vom 22. April 2022

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Ist Mein Sohn Handysüchtig?

Ist mein Kind handysüchtig?

Selbst auf dem Skilift und WC – der Sohn einer Leserin kann seinen Blick nicht mehr vom Handy lassen. Normales Verhalten oder bereits eine Sucht? Dazu einige Definitionen und Tipps.

Als wir mit Freunden in den Skiferien waren, hat sich unser Ältester (14) jeweils nur widerwillig von seinem Handy getrennt. Und dies, obwohl auch noch andere Kinder zugegen waren. Wo er stand und sass, starrte er in sein Ding. Auf dem Skilift, auf dem WC, selbst beim Laufen konnte er seinen Blick nicht vom Bildschirm lassen. Mir ist bewusst, dass sich heutzutage sehr viele Menschen so verhalten, aber wenn man es beim eigenen Kind beobachtet, läuft es einem schon kalt den Rücken runter. Ab wann spricht man eigentlich von einer Handysucht? Leserfrage von Pia aus Zürich

Liebe Pia, besten Dank für Ihre Frage. Durch die teils markant gestiegene Bildschirmzeit während der Pandemie ist Ihre Frage aktueller denn je. Lassen Sie uns erstmals das Wort «Sucht» so gut wie möglich klären, um danach die Symptome von Handy-, Game- oder Internetsucht zu diskutieren und schlussendlich einige Tipps zur Suchtprävention zusammenzustellen.

Was ist Sucht?

«Handysucht», «Gamesucht», «pathologischer Internetgebrauch», «Internetsucht» oder «Onlinesucht» sind alles austauschbare Begriffe. Obwohl es zunehmend wissenschaftliche Forschungen und Studien zum Thema gibt, fehlt eine einheitliche Definition. Es wird deshalb auch der Begriff von internetbezogenen Störungen (IBS) benutzt. Als diagnostizierbare Krankheit hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit 2018 eine «gaming disorder» definiert. Die Erforschung von Verhaltenssüchten (Computerspielsucht, Pornosucht, Kaufsucht usw.) ist noch recht jung, da sich die Suchtforschung traditionell immer sogenannten Konsumsüchten (Alkohol, Tabak usw.) widmete.

Damit wir also überhaupt von Sucht reden können, muss sich das Kind der Schädlichkeit seines Verhaltens bewusst sein.

Um mit Computerspielsucht diagnostiziert zu werden, muss ein Kontrollverlust, eine erhöhte Priorität fürs Gamen, eine gleichzeitige Vernachlässigung von anderen Interessen oder Aktivitäten sowie eine Fortsetzung oder Zunahme trotz schädlicher Auswirkungen erkennbar sein. Damit wir also überhaupt von Sucht reden können, muss sich das Kind oder der Erwachsene der Schädlichkeit seines Verhaltens bewusst sein.

Wie erkenne ich eine Sucht?

Gemäss der JAMES Studie 2020 liegt die durchschnittliche, tägliche Handyzeit von Jugendlichen zurzeit bei 3 Stunden und 47 Minuten unter der Woche und bei 5 Stunden 16 Minuten an Wochenendtagen, was einer fast zweistündigen Zunahme innerhalb von zwei Jahren gleichkommt. Die stetig steigende Bildschirmzeit ist ein rein quantitatives Indiz auf ein eventuelles Suchtverhalten. Andere Anzeichen sind ein steter Wunsch oder Zwang, das Handy anzuschalten – vielfach aus Angst, etwas zu verpassen. Hier spricht man auch von «Fomo», eine englische Abkürzung für «Fear of missing out». 

Wenn dazu noch Vernachlässigungen von Pflichten (z. B. Hausaufgaben, Training), Freundschaften oder sozialen Kontakten kommen sowie andere Beeinträchtigungen wie Schlafmangel, Isolation oder Konzentrationsschwierigkeiten, spricht man von einem suchtartigen Verhalten.

Da es keine generell gültige Handyzeit gibt und es auf ein gesundes Gleichgewicht zwischen reellem und virtuellem Leben ankommt, sollten Eltern vor allem auf die oben beschriebenen Symptome Acht geben. Als schnelle Selbsteinschätzung empfiehlt es sich, einen Selbsttest zu machen. Je nach Resultat macht es allenfalls Sinn, eine Fachperson oder eine Fachstelle für Internet-Suchtprävention aufzusuchen.

Was kann ich dagegen tun?

Grundsätzlich sollten wir uns vergegenwärtigen, dass sowohl die «sozialen» Plattformen als auch die Free-to-play-Games keineswegs «gratis» sind. Da wir mit unseren Daten bezahlen und da wir nur Daten generieren, wenn wir online sind, sind sowohl die sozialen Plattformen, wie auch die Free-to-play-Spiele darauf optimiert, uns so schnell wie möglich süchtig zu machen. Dazu kann ich ihnen den Film «Das Dilemma mit den Sozialen Medien» auf Netflix empfehlen. Schauen sie den Film am besten mit den Kindern an und diskutieren Sie danach darüber. Mediensuchtprävention funktioniert am besten, wenn diese zusammen mit den Kindern erarbeitet wird und wenn wir den Kindern die gesundheitlichen Folgen erklären können.

Bei allem Erklären sind jedoch klare Handy- und Internetnutzungsregeln, vor allem im Alter zwischen zwei bis etwa fünfzehn Jahren, unabdinglich (wobei ein Handy unter zehn Jahren vermieden werden sollte). Am besten gelingt dies, wenn die Regeln zusammen mit dem Kind ausgearbeitet werden. Diskutieren Sie offen und konstruktiv und nehmen Sie die Argumente der Kinder ernst. Erklären Sie den Kindern auch die gesundheitlichen Risiken: dass die Frequenz des blauen Lichtes des Handys für die Netzhaut des Auges schädlich sein kann, dass die Aggressionen nach einem knapp verlorenen Shootergame störend sind und dass der Wunsch nach perfektem Aussehen depressive Gefühle wecken kann, da die Vorbilder allesamt mit zig Filtern nachbearbeitet sind.

Kinder sind sich durchwegs bewusst, dass es Regeln und Grenzen braucht, und wünschen sich dabei auch die elterliche Hilfe.

Die Chancen, dass Regeln eingehalten werden, sind viel höher, wenn das Kind die Gründe der Regeln versteht anstatt es die elterliche Autorität einfach schlucken muss. Scheuen Sie sich jedoch nicht, gewisse Grundregeln (z. B. kein Handy beim Essen, Handy vor dem Schlafen aus dem Schlafzimmer, kein Ego-Shooter-Game vor dem Einschlafen, mindestens acht Stunden Schlaf, Altersfreigaben respektieren) resolut durchzusetzen, denn die Verantwortung liegt bei Ihnen.

Erstellen Sie einen schriftlichen Vertrag zum Beispiel mit dieser Website, bei der Sie viele vorgefertigten Regeln zusammenstellen und anpassen können. Ein fairer Vertrag sollte auch unsere elterliche Verantwortung miteinbeziehen. So kann eine Regel uns beispielsweise verbieten, das Kind beim konzentrierten Gamen zu unterbrechen. Wir sollten uns auch verpflichten, unserer Vorbildrolle bei der eigenen Bildschirmnutzung gerecht zu werden.

Alternativen schaffen

Gemäss neuen Studien sind sich Kinder durchwegs bewusst, dass es Regeln und Grenzen braucht, und wünschen sich dabei auch die elterliche Hilfe. Viele Jugendliche versuchen bereits selbst, weniger Zeit am Handy zu verbringen, schaffen es aber nicht. Als ich vor ein paar Wochen mit einer Zürcher Gymnasiumsklasse Alternativen oder Handysucht-Abhilfen erarbeitete, haben Schülerinnen empfohlen, dass Swisscom mit jedem neuen Handy gleichzeitig ein Handygefängnis verkaufen sollte, um das Objekt der Begierde wegzusperren!

Helfens Sie den Kindern generell, den Zugang zum Handy zu erschweren (Ladekabel in der Küche fixieren; Handybox, wo nach einer gewissen Zeit die Smartphones versorgt werden). Die Apps mit hohem Suchtpotenzial wie Tiktok oder Snapchat können auf dem Handy auch in ein eigens dafür geschaffenes Menü gesteckt werden, das beispielsweise als letzte Menüseite angezeigt wird. Unterstützen Sie die Kinder beim Erarbeiten und Erfinden von Alternativen wie Gesellschaftsspiele oder Outdooraktivitäten. Am besten gelingt dies, wenn wir sie aktiv unterstützen und zum Beispiel handyfreie Familientage organisieren.

Falls jedoch Symptome wie Isolation, Vernachlässigung von sozialen Kontakten, Essstörungen, Konzentrationsschwäche gepaart mit zunehmender Bildschirmzeit anhalten, empfiehlt es sich, externe Unterstützung zur Medienerziehung beizuziehen.

Dieser Artikel erschien erstmals im Tages-Anzeiger am 18. Februar 2022

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