Kategorie: Medienerziehung

  • Immer mehr Stadtzürcher Gymis verbieten Handys in den Pausen

    Immer mehr Stadtzürcher Gymis verbieten Handys in den Pausen

    Intervention durch Gleichaltrige : Projekt TechAngels

    Doch was tun, wenn die Handynutzung bei einzelnen problematisch wird?

    Die Atelierschule, das Gymnasium der Steiner Schule, setzt auf niederschwellige Interventionen von Gleichaltrigen: Jugendliche werden von Medienpädagog:innen und Psycholog:innen zu sogenannten «Tech Angels» ausgebildet.

    «Die Digitalisierung der Kantonsschule geschah schnell, vielleicht auch etwas zu schnell.»Daniel Zahno, Rektor der Kantonsschule Hottingen

    Als «digitale Schutzengel» sollen sie ihre Mitschüler:innen bei einem bewussten Umgang mit digitalen Geräten und Videogames unterstützen. Das Projekt wurde letztes Jahr an der Atelierschule lanciert. Inzwischen bilden auch andere Zürcher Gymnasien eigene «Tech Angels» aus, sagt Beat Richert, Medienpädagoge an der Rudolf Steiner Schule und Projektverantwortlicher.

    An der Steiner Schule gilt auf Sekundarstufe seit jeher ein Handyverbot auf dem Schulareal. Zusätzlich erarbeiten die Eltern zu Beginn jedes Schuljahres gemeinsam eine «Medienvereinbarung», wie sie zu Hause mit der Bildschirmzeit ihrer Kinder umgehen.

    Das Ziel dahinter, so Richert: «So gelten für alle Jugendlichen dieselben Regeln im Umgang mit dem Telefon. Nicht nur während dem Unterricht, sondern auch zu Hause.»

    Ganzer Artikel : https://tsri.ch/a/immer-mehr-stadtzuercher-schulen-verbieten-handys-in-den-pausen

  • Handyverbot an Schulen und der Sog von Social Media

    Handyverbot an Schulen und der Sog von Social Media

    Immer mehr Schulen in der Schweiz führen ein Handyverbot ein. Nidwalden hat soeben als erster Kanton ein solches erlassen. Joanne (13), Angelina (14), Juri (13) und Dorijan (13) erzählen von ihren Smartphoneregeln daheim und in der Schule, was sie im Unterricht über die sozialen Medien gelernt haben und warum sie kaum auf die ganzen Apps verzichten könnten. Medienerziehungexperte Beat Richert ordnet ein.

    Weiterlesen und Podcast vom Schulverlag Plus hören

  • Vom Märchen, dass digitale Medien dick, dumm und einsam machen

    Vom Märchen, dass digitale Medien dick, dumm und einsam machen

    In einem viel beachteten WIRED Artikel von 2008 suggerierte der damalige Chefredaktor Chris Anderson, dass im Zeitalter von „Big Data“ Korrelationen genügen und eine nachweisbare Kausalität überflüssig werde.

    Wahrhaftig eine unverschämte Behauptung, die sich jedoch in den letzten fünfzehn Jahren schleichend immer mehr bestätigt hat, zumindest wenn es um die öffentliche Wahrnehmung von Phänomenen geht. Wir hüpfen von einer Schlagzeile zur Anderen und nehmen uns nicht die Zeit, Kausalitäten zu suchen, geschweige denn zu verstehen. Der Hahn schreit vor dem Sonnenaufgang. Dies ist eine nachweisbare Korrelation. Die Sonne geht jedoch nicht auf, weil der Hahn schreit – die Kausalität zu einer solchen Interpretation fehlt ganz offensichtlich.

    Dieser Podcast von EDUCA mit dem „kalten Blick der Statistik“ auf das heiss diskutierte Thema der Digitalisierung der Bildung räumt mit vielen emotional getriebenen Falschinterpretationen auf und ist idealer Ausgangspunkt einer sachlicher Diskussion:

    Kritisches Denken gegenüber der rasanten Digitalisierung sind berechtigt. Bestrebungen zu einer bewussten und gesunder Nutzung von digitalen Medien sind essenziell. Es ist jedoch falsch, schädlich und total überspitzt – insbesondere aus Sicht von älteren Menschen auf die Jugend – zu behaupten, dass digitale Medien dick, dumm und einsam machen. Was wir brauchen ist ein konstruktiver und kritischer Dialog, zwischen jung und alt.

  • «Be real» – echt jetzt?

    «Be real» – echt jetzt?

    Psychologische Tricks und fragwürdige AGBs: Was Eltern über die Social-Media-App BeReal wissen müssen.

    Leserfrage: Meine Tochter (14) ist ohnehin ziemlich viel auf Social-Media-Kanälen unterwegs, neu ist aber eine App hinzugekommen, die ich nicht wirklich einschätzen kann. Es handelt sich um «BeReal», bei der es ja darum geht, «ungeschönte» Bilder – es gibt weder Fotofilter noch Nachbearbeitungsmöglichkeiten – möglichst schnell hochzuladen. Was mich beschäftigt: Wer die Bilder «verspätet», also nicht unmittelbar auf die Aufforderung hin postet, wird mit «late» markiert und damit sozusagen gebrandmarkt. Zudem sollen die Nutzerinnen auf BeReal posten, ohne viel nachzudenken, was ich ebenfalls für fragwürdig halte. Wie seht ihr das? Und was sollten wir als Eltern über BeReal wissen? Liebe Grüsse: Tanja

    Liebe Tanja, besten Dank für Ihre Frage. BeReal ist effektiv eine weitere «soziale» Plattform, die seit 2020 um die Aufmerksamkeit von vorwiegend jüngeren Nutzerinnen und Nutzern kämpft. Hinter der Plattform stehen zwei französische Software-Entwickler, die wiederum von denselben Tech-Investoren finanziert werden, die unter anderem auch Geld in Facebook, Twitter und die Spieleplattform Roblox gesteckt haben. Die Geschäftsstruktur lässt demnach erraten, dass die Idee des echten und authentischen Seins mehr eine Marketingpositionierung als eine ernst gemeinte Aufmunterung zu mehr Selbstwertgefühl für Jugendliche ist.

    Wie User an die Plattform gebunden werden

    Anders als beispielsweise auf Snapchat oder Instagram, wo junge Menschen zum Teil Stunden verbringen, um das perfekte Selfie noch mit unzähligen Filtern zu optimieren, fordert BeReal die Nutzerinnen und Nutzer täglich auf, ein spontanes Foto von sich zu erstellen und zu teilen. Die Zeit der automatisch gesandten Aufforderung variiert, da man aus Belohnungssystemen von Games weiss, dass das Engagement der Nutzer höher ist, wenn man zu verschiedenen Zeiten überrascht wird. Die App sieht dann vor, dass Nutzerinnen innert zwei Minuten Fotos sowohl mit der auf sich gerichteten Kamera als auch mit der Kameraeinstellung in die Gegenrichtung machen. So entsteht ein möglichst realistisches Foto-Tagebuch, das dann mit Freunden geteilt, geliked und kommentiert werden kann.

    Das sind psychologische Tricks, um die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange, möglichst oft und meist unbewusst an die Plattformen zu binden.

    Um weiter Druck auf die Nutzerinnen und Nutzer auszuüben, sind die Fotos der Freunde nur so lange zu sehen, bis das nächste Foto hochgeladen wird, sprich ein Tag. Eingeführt von Snapchat und nachgeahmt von Instagram, wird diese Technik der Zeitlimitierung auch als «Dark Pattern» verstanden. Es sind dies psychologische Tricks, um die Nutzerinnen und Nutzer möglichst lange, möglichst oft und meist unbewusst an die Plattformen zu binden. Gelöscht werden die unsichtbar gewordenen Fotos jedoch nicht. Dazu aber später.

    Wer zu viele Versuche braucht, wird ausgelacht

    Wer es nicht schafft, innert zwei Minuten zwei spontane Fotos zu erstellen (die Fotos können ausschliesslich in Echtzeit und mit der von der App aktivierten Kamera geschossen werden) wird von der App sofort und vor allen Freunden mit der Anzahl Stunden, die man zu spät ist – «late!» – ermahnt. Auch diejenigen, die mehrere Versuche brauchen, um ein teilbares Foto zu erstellen, werden mit der angezeigten Anzahl der Versuche quasi an den Pranger gestellt. So entsteht ein mehrschichtiger sozialer Druck, einerseits um erst mal den Grundansprüchen der App selbst gerecht zu werden, andererseits jedoch, um so authentisch wie möglich zu sein.

    Wer fünfzehn Versuche braucht, um ein «spontanes» Foto zu erstellen, wird dann schon mal ausgelacht, was sich wiederum negativ auf das Selbstwertgefühl der Person auswirken kann. Durch den Zeitdruck entstehen in der Tat spontanere Fotos, bei denen der Hintergrund umso alltäglicher ist. Essgewohnheiten, Autonummern, Zimmereinrichtungen, Klassenzimmerdekoration und vieles mehr geben nicht nur unwahrscheinlich viel private Informationen preis, sondern werden auch gleich auf einer für alle «Freunde» einsehbaren Karte angezeigt, um alles sofort geografisch zu orten.

    Und woher kommt das ganze Geld?

    Der einzige «Mehrwert» für Nutzerinnen und Nutzer der Plattform besteht darin, die Attraktivität des eigenen täglichen Lebens mit demjenigen von anderen Freunden zu vergleichen. So entsteht auch hier das allmähliche Unbehagen, das das eigene Leben langweiliger ist als das der anderen, was wiederum depressive Gedanken auslösen kann.

    Apropos Mehrwert: Die App, die bis jetzt weltweit rund 53 Millionen Mal installiert wurde und dessen Marktwert zurzeit auf etwa 600 Millionen US-Dollar geschätzt wird, verdient offiziell keinen Rappen. Anders als Instagram, Tiktok und Snapchat, gibt es auf BeReal keine Werbung. Woher soll dann das Geld sprudeln? Der Verdacht liegt nahe, dass Hunderte von Fotos der gleichen Person, in gleichen zeitlichen Abständen aber in verschiedensten Situationen, eine wertvolle Datenbank zur Fütterung von selbstlernenden Gesichtserkennungsalgorithmen darstellt.

    Es darf vermutet werden, dass die Fotos wertvolles Rohmaterial für Überwachungssysteme darstellen, die auf künstlicher Intelligenz basieren.

    Die übliche Exit-Strategie der Investoren, eine magische Marke von z. B. 100 Millionen Benutzerinnen und Benutzern zu erreichen und zu hoffen, von einem grossen Player aufgekauft zu werden, ist immer mehr Geldgebern zu riskant. Es darf also vermutet werden, dass die Fotos von grösstenteils ahnungslosen Jugendlichen wertvolles Rohmaterial für Überwachungssysteme darstellen, die auf künstlicher Intelligenz basieren.

    Die allgemeinen Geschäftsbedingungen von BeReal sehen eine dreissigjährige (!) Bewilligung vor, während der die Plattformbetreiber Inhalte von Nutzerinnen und Nutzern auf anderen «sozialen» Plattformen wie WhatsApp oder Instagram teilen dürfen. Natürlich dürfen die nutzergenerierten Inhalte auch gehostet, gespeichert, reproduziert, modifiziert und unterlizenziert werden. Währenddessen darf von den Nutzern nur ein Foto pro Tag gelöscht werden. Weitsichtig, ja fast schon sarkastisch, erwähnt der Plattformbetreiber übrigens explizit, dass er nicht für verlorene Zeit und Gelegenheiten haftbar gemacht werden kann.

    Deshalb mein Rat: Be real, geh raus auf die Strasse und triff dich mit Freundinnen und Freunden – heute mal ohne Handy!

  • Wie soll ich unsere Tochter beim Social-Media-Einstieg begleiten?

    Wie soll ich unsere Tochter beim Social-Media-Einstieg begleiten?

    Eine Leserin fragt sich, wie sie ihrem Kind die Gefahren und Möglichkeiten auf Social Media aufzeigen kann. Dieser Beitrag diskutiert über Chancen und Gefahren von „social“ Media Plattformen.

    Lieber Herr Richert, ich bin nicht auf Social Media unterwegs – es hat mich nie interessiert, sondern eher abgeschreckt (Stichwort Aufmerksamkeitskiller, Suchtgefahr, Bilderflut von ungesunden Körpern). Jetzt kommt unsere bald 11-jährige Tochter aber in ein Alter, wo sie damit konfrontiert werden wird; lange werde ich diesen Trend also nicht mehr ignorieren können! Nach dem letzten Papablog-Beitrag von Markus Tschannen, in dem er verschiedene spannende Accounts von Kindern auf Social Media vorstellte, habe ich mich nun gefragt, ob ich meine Haltung überdenken sollte. Ich möchte unserer Tochter nicht nur die Gefahren, sondern auch die Möglichkeiten aufzeigen. Wie kann ich unsere Tochter beim Einstieg in diese neue Welt auf sinnvolle Weise begleiten? Leserinnenfrage von Caroline

    Geschätzte Caroline, danke für Ihre Frage, mit der Sie vielen anderen Eltern aus dem Herzen sprechen. In Ihrer Fragestellung liegt gleichzeitig schon viel Antwort. Sie sind sich bewusst, dass Sie den Trend nicht mehr lange ignorieren können. Explizit wegschauen und so tun, als ob es diese Plattformen alle nicht gäbe, wäre eine denkbar schlechte Strategie, denn ihre Tochter wäre dann quasi gezwungen, die digitale Welt bei den Kolleginnen und anhand der vielleicht weniger strengen Richtlinien deren Eltern zu entdecken.

    Metamorphose der Pubertät

    Ihre Tochter steht vor der grandiosen Metamorphose der Pubertät. Sie wird sich mehr und mehr ablösen und abgrenzen wollen und ihre eigene Mädchen-Clique haben. Ihr kindlicher Körper wird sich in einen Frauenkörper verwandeln und sie wird verschiedene Looks und Modestile ausprobieren wollen. Digitale Plattformen wie Snapchat, Instagram oder TikTok sind hierzu verführerische Werkzeuge, die innert Sekunden kostenlos aufs Handy installiert werden und mit denen grenzenlos experimentiert werden kann.

    So gesehen sind die «sozialen» Medien eine clevere Weiterentwicklung vom Spiegel am Kleiderschrank, dem noch vor zwanzig Jahren die Funktion eines Feedback-Gebers zukam. Der wichtigste Unterschied zwischen diesen beiden Welten liegt im schützenden Hier und Jetzt des Kleiderschrankspiegels. Es handelt sich um das gleiche Phänomen der Identitätssuche. Einerseits ist ihre Tochter in ihrer Welt und kann geschützt von fremden Blicken ungeniert Sachen ausprobieren. In der digitalen Welt jedoch wird sie angetrieben von Herzchen und Daumen-Hochs und verfällt dem unbewussten Rausch nach sozialer Anerkennung, ohne jeglichen räumlichen und zeitlichen Schutz.

    Fokus auf die Bedürfnisse

    Es ist wichtig, dass wir Kinder in ihrer Welt ernst nehmen und wir ihre Sichtweise zu verstehen versuchen. Fokussieren Sie bei Ihren Diskussionen auf die Bedürfnisse Ihrer Tochter und erzählen Sie ihr, wie Sie vielleicht viele dieser Bedürfnisse genau gleich erlebt haben. Erklären Sie, dass jedes hochgeladene Bild auf eine «soziale» Plattform nicht mehr löschbar ist (es entstehen mehrere Kopien und obwohl das Bild vielleicht auf dem Handy der Tochter gelöscht wurde, ist es noch an verschiedenen anderen Orten gespeichert) – und auch, dass ein unvorteilhaftes Bild schnell zu einer Cybermobbingvorlage werden kann.

    Klären Sie Ihre Tochter auf, dass das Internet nicht vergisst und die durch unsere Likes genährten Algorithmen uns innert Tagen durchschauen und manipulieren können. «Soziale» Plattformen werden von neunzig Prozent der Schweizer Jugendlichen als Unterhaltung und passiver Zeitvertreib genutzt. Leider erhalten die Kinder dadurch nicht nur ein verzerrtes Bild der Realität (jedes Instagramaccount ist die Propagandaversion der betreibenden Person), sondern schwächen dabei ihre eigene Kreativität, die von immer mehr Arbeitgebern als die Kernkompetenz der Zukunft gepriesen wird.

    Geschwächtes Selbstwertgefühl, depressive Gedanken, Konzentrationsschwäche, Fehlernährung oder mangelndes Empathievermögen sind allesamt Symptome, die mit einer unkontrollierten Nutzung von «sozialen» Medien in Verbindung gebracht werden.

    Liebe statt Autorität

    Erläutern Sie Ihrer Tochter, dass Sie nicht nur die volle Verantwortung tragen (TikTok, Snapchat und Instagram sind ab 13 Jahren freigegeben, WhatsApp und Youtube offiziell ab 16 Jahren), sondern dass Sie sie vor allem lieben und schützen wollen. Sobald Ihre Tochter versteht, dass es sich nicht um eine Ausnützung von elterlicher Autorität, sondern viel mehr um vorausschauende elterliche Liebe handelt, wird sie Verständnis zeigen.

    Alternativen statt lange Diskussionen

    Da das Geschäftsmodell der Betreiber von «sozialen» Medien auf Suchtförderung und Aufmerksamkeitsentführung beruht, gibt es in den USA die neue Bewegung «Wait until 8th». Zehntausende von Eltern ermutigen sich dabei gegenseitig, ihren Kindern nicht vor der achten Klasse (13-14 Jahre in den USA) ein eigenes Handy zu geben. So veranstalte auch ich regelmässig Elternabende in Primar- und Sekundarschulen, um die Eltern zu unterstützen, untereinander eine Mediennutzungsvereinbarung zu erarbeiten. Dies ist die effektivste Form gegen das «AADDA Syndrom»: Alle Andern Dürfen Das Aber.

    Bei all den guten Gründen, die Nutzung von «sozialen» Medien zu verzögern, helfen vielfach lustige und unterhaltsame Alternativen am besten. Es fühlt sich so wunderbar verjüngend an, wenn wir unsere eigenen Handys verstecken und mit den Kindern zum Beispiel wieder Mal Versteckis spielen.

  • Schule, Schuld und Scham

    Schule, Schuld und Scham

    Die Frage nach dem Medienkonsum sorgt für Zündstoff zwischen Schule, Eltern und Schülerschaft. Einige Ratschläge, wie man dieses toxische Thema anspricht.

    Liebes Mamablog-Team, ich bin Vater zweier Kinder (7 und 11 Jahre) und Lehrer auf der Sekundarschulstufe in der Agglomeration von Zürich. Momentan bereite ich gerade die Elterngespräche für meine neue Klasse vor. Dies fällt mir in der Regel leicht, wenn es nicht das lästige Thema Mediennutzung gäbe. Viele Eltern behaupten, es gäbe konkrete Bildschirmregeln zu Hause, die meisten ihrer Kinder wissen jedoch nichts davon oder halten diese nicht ein. Da ich vermehrt Schüler und Schülerinnen habe, die wegen Schlafmangel im Unterricht einnicken, muss ich das Thema ansprechen. Sofort fühlen sich die Eltern jedoch angegriffen, starten zum Gegenangriff und verhindern eine konstruktive Kommunikation. Gerne würde ich zu diesem heiklen Thema Elternstimmen hören. Leserfrage von Fabian (47)


    Lieber Fabian, Ihr Anliegen scheint mir sehr aktuell und auch sehr wichtig. Wenn es ums Thema Mediennutzung geht, entsteht in der Tat ein schwieriges, fast toxisches Dreieck zwischen Schule, Eltern und Schülerschaft.

    Eigentlich wollen wir ja alle nur das Beste für unsere Kinder. Der Bildungsauftrag der Schule beziehungsweise der Lehrpersonen ist durch diverse Gesetze, Lehrpläne und Prozesse genau definiert. Die meisten dieser Texte und Prozesse stammen jedoch noch aus einer Zeit, in der es noch keine Smartphones gegeben hat. Und wenn es um die Nutzung dieser Teile geht, scheiden sich die Geister, entstehen Generationenkonflikte und öffnen sich kulturelle Klüfte. Entsprechend wichtig ist eine empathische und gegenseitig feinfühlige Kommunikation.

    Konstatieren anstatt beschuldigen

    Nachlassende schulische Leistungen, Konzentrationsschwächen, soziale Isolation oder zunehmende Müdigkeit sind allesamt Symptome, die durch übermässigen Bildschirmkonsum entstehen können.

    Bei solchen Beobachtungen ist es als Lehrperson naheliegend, mangelnde Disziplin im Umgang mit digitalen Medien zu vermuten oder sogar die Eltern dessen zu beschuldigen. Dies gilt es zu vermeiden, denn beschuldigte Eltern fühlen sich sofort angegriffen und holen in der Regel zum Gegenangriff aus, da ihr Kind aus ihrer Sicht gut erzogen und einmalig ist. Anstatt zu vermuten oder zu beschuldigen, genügt es, zu konstatieren:

    • «Ich bemerke, dass ihr Kind vormittags sehr müde ist».
    • «Ich beobachte, dass die Konzentrationsfähigkeit in den letzten Wochen erheblich abgenommen hat».

    Lassen Sie diese Tatsachen im Raum stehen und beobachten Sie danach die Reaktion. Falls beide Elternteile am Gespräch teilnehmen, löst dies wahrscheinlich ein sofortiger «interner» Dialog zwischen den beiden aus. Danach entsteht in den Köpfen der Eltern das unbehagliche Gefühl, dass Sie ihnen als Lehrperson mangelnde Disziplin oder fehlende Medienerziehung vorwerfen könnten. Diese Gedanken lassen wiederum Schuld- und sogar Schamgefühle entstehen. Vermeiden Sie jetzt diese beklemmende Situation mit weiteren, nicht beschuldigenden und offenen Fragen.

    • «Haben Sie ähnliche Symptome beobachtet?»
    • «Falls ja, haben Sie Erklärungen dazu?»

    Raus aus der Lehrerrolle und den Elternhut aufsetzen

    Falls hier das Thema Gaming, soziale Medien und Handy etc. von den Eltern noch nicht erwähnt wird, schlüpfen Sie aus der Lehrerrolle und tragen Sie kurz den Elternhut. Erzählen Sie als Vater von der unsäglichen Schwierigkeit bei Ihnen zu Hause, verbindliche Bildschirmregeln für Ihre beiden Söhne aufzustellen, dies dem verschiedenen Alter der beiden Buben gerecht zu gestalten, die Einhaltung regelmässig zu überprüfen und die Konsequenzen beim Regelbruch einzuhalten. Erzählen Sie auch, wie Sie sich regelmässig dabei ertappen, selbst die Regeln nicht einzuhalten und wie verdammt schwierig es für Sie sei, eine konsequent gute Vorbildrolle zu sein.

    Spätestens jetzt ist das Fundament für eine offene und konstruktive Diskussion geschaffen. Die Schuld- und Schamgefühle verblassen und ein lösungsorientierter Dialog auf Augenhöhe entsteht.

    Wir sind als Gesellschaft von der rasanten digitalen Entwicklung überfordert und haben für solche Anschuldigungen schlicht weder Raum noch Zeit.

    Erlauben Sie mir hier auch einen wichtigen Hinweis an alle Eltern. Versuchen Sie bei jedem Gespräch mit der Lehrperson, letztere als Mutter oder Vater wahrzunehmen, die den genau gleichen Herausforderungen ausgesetzt ist. Es handelt sich ja schliesslich nicht um ein Gespräch beim Kundendienst, wo Sie sich über mangelnde Wertschätzung ihres Kindes beklagen. Wir sind als Gesellschaft von der rasanten digitalen Entwicklung überfordert und haben für solche Anschuldigungen schlicht weder Raum noch Zeit.

    Erinnern Sie sich vor dem Gespräch, dass die Lehrperson in einer immer komplexer werdenden digitalen Gesellschaft die leidtragende Person ist, die mit den Konsequenzen von unkontrollierter Bildschirmnutzung umgehen muss, ohne aber einen verbindlichen Einfluss auf die Ursachen zu haben.

    Lifehacks, Beratung – ganz ohne Vorurteile

    Offerieren Sie als Lehrperson den Eltern Hilfe beim Bildschirmregeln erstellen (hier finden Sie einen hilfreichen Lifehack). Organisieren Sie, wenn nötig Diskussionsrunden unter Eltern oder auch einen Elternabend, wo es ausschliesslich ums Thema digitale Medien geht.

    Immer mehr Schulen bieten via Schulsozialdienst oder aber die Gesundheitsförderung spezifische Unterstützung zum Thema Medienerziehung oder organisieren wöchentliche Beratungsstunden mit Fachpersonen. Einige Schulen und Gymnasien sind auch dabei, eine «peer-to-peer»-Medienerziehungsunterstützung aufzubauen, bei der ältere Schüler und Schülerinnen die jüngeren unterstützen, sich vor den (Sucht)Gefahren von Games, sozialen Medien und dem Handy zu schützen.

    Vorbehaltlos und vor allem vorurteilslos über die enormen Herausforderungen der Medienerziehung zu sprechen ist die beste Voraussetzung zu einem gesunden und bewussten Umgang mit digitalen Medien.

  • Stimmt es, dass die Kinder von Techbossen keine Handys haben? 

    Stimmt es, dass die Kinder von Techbossen keine Handys haben? 

    ELTERNFRAGE ZUR MEDIENERZIEHUNG

    „Immer wieder höre ich von Geschichten, dass die Bosse der führenden Technologieunternehmen im Silicon Valley ihre Kinder viel strenger erziehen als allgemein üblich. Ihre Kinder schicken sie in Rudolf Steiner Schulen und anstatt Handys gibt es konsequent Waldspielgruppen und Holzspielzeuge. Wie viel stimmt von alldem und falls es zutrifft, wie lässt sich das erklären?“ Leserfrage von Boris aus Zürich


    Lieber Boris, danke für die Frage. Dieses Thema wird tatsächlich seit Jahren immer wieder in verschiedenen Medien diskutiert, teils ideologisch emotional, teils faktenbasiert und wissenschaftlich. Ich werde mir in diesem Text entsprechend erlauben, die Spannbreite von wissenschaftlichen Erkenntnissen bis hin zu meinen väterlichen und beruflichen Erfahrungen auszuschöpfen.

    Vier kulturelle Grundkompetenzen

    Die Basis und sogleich der kulturelle Grundpfeiler unseres Bildungssystems ist die Fähigkeit, lesen, schreiben und rechnen zu können. Sobald unsere Kinder die sechsundzwanzig Buchstaben und zehn Zahlen kennen, werden Kombinationen geübt. So entstehen Wörter und zusammengesetzte Zahlen. Die eigentliche Magie dahinter besteht darin, dass gleichzeitig lesen und schreiben gelernt wird. Wir sind also nicht nur «Konsumenten» von Texten und Zahlen, sondern wir werden zugleich zu potenziellen Schriftstellerinnen, Poeten und Mathematikerinnen erzogen. Heute sprechen wir von der «digitalen Kompetenz» als vierte kulturelle Grundkompetenz. In der digitalen Bildungsentwicklung unterlief uns jedoch ein epochaler Fehler. 

    Und so passierte es, dass Informatik mit Anwenderkompetenz verwechselt wurde.

    In den frühen Achtzigerjahren wurde durch die Erfindung von Microsoft Windows die grafische Benutzeroberfläche dem breiten Publikum zugänglich. Die eigentliche Revolution dieser Windows waren die Pop-up-Fenster, die das Bedienen von Programmierzeilen vereinfachten beziehungsweise Letztere verdeckten. Das User Interface (Schnittstelle zwischen Mensch und Computer) war erfunden und nistete sich in Windeseile zwischen Programmierer und Benutzer ein. Und so passierte es, dass Informatik mit Anwenderkompetenz verwechselt wurde. Wir erlagen der kollektiven Illusion, dass das effiziente Bedienen von vielen Windows etwas mit Informatik zu tun hätte. In der Realität jedoch wurden wir zu Bedienern degradiert und Schicht um Schicht vom Programmiercode entfernt. 

    Eine Generation von Anwendern

    Dieser digitale Keil, der jahrelang zwischen dem Bedienen des Fensters (lesen) und dem Codieren (schreiben) geschlagen wurde, liess eine ganze Generation zu einer «Read only»-Generation heranwachsen. Durch die schleichende Entfernung vom eigentlichen Programmieren, hin zum Nutzen von Software-Anwendungen, wurden wir zu Anwenderinnen und Anwendern erzogen. Erst seit der Einführung des Lehrplans 21 der Deutschschweizer Kantone konnten unsere Schulen dieser gefährlichen Entwicklung entgegenwirken. 

    Die digitale Elite im Silicon Valley ist sich dieser Entwicklung gezwungenermassen sehr bewusst. Und so erstaunt es auch nicht, dass viele Tech-Manager ihre Kinder im Umgang mit digitalen Medien strenger erziehen. Grundsätzlich gibt es dafür zwei Hauptgründe: Einerseits um zu verhindern, dass die Kinder nur zu Anwenderinnen und Anwendern und Softwarenutzenden heranwachsen, andererseits um sie vor dem enormen Suchtpotenzial von Videogames und «sozialen» Plattformen zu schützen. 

    Erfolgsrezept: Waldorfer Medienpädagogik

    Medienpädagogik ist ein zentraler Baustein der Rudolf Steiner Schulen. Die ersten sieben Jahre sind jedoch auf analoge Medien gerichtet, um den Kindern möglichst umfassende Kompetenzen für die reale Welt zu geben. Darauf aufbauend werden ab dem zwölften Lebensjahr digitale Medienkompetenzen gelernt. Auch hier hat das Verstehen der Technologie mindestens das gleiche Gewicht wie das Anwenden von Programmen. So wird zum Beispiel ein alter Computer in Einzelteile zerlegt, um genau zu verstehen, wie dieser funktioniert. Die Kinder lernen Programmieren, logisches Denken und Probleme in Teilprobleme zu teilen, um Lösungen zu erarbeiten (in der Pädagogik wird dies auch «computational thinking» genannt). Die steigende Beliebtheit von Waldorfschulen (allein in Kalifornien gibt es vierzig Schulen) und die Erfolgsquoten der Schülerinnen und Schüler (94 Prozent der Abgängerinnen und Abgänger schaffen es danach ins College) zeugt vom Erfolg der Waldorfer Medienpädagogik.

    Es ist auch kein Geheimnis, dass viele Silicon-Valley-Manager für ihre Kinder eine möglichst techfreie Erziehung anstreben. Sowohl der verstorbene Apple-Gründer Steve Jobs als auch Google-CEO Sundar Pichai und Snapchat-CEO Evan Spiegel hatten Smartphones unter 10 Jahren verboten und die Bildschirmzeit ihrer Kinder streng kontrolliert.

    Das Smartphone ist zweifellos eine geniale Erfindung, die uns als omnipräsentes Werkzeug in praktisch jeder Lebenssituation zur Hilfe steht. Es sollte jedoch genau als solches wahrgenommen werden. Ob Hammer, Stichsäge oder Sackmesser, jedes Werkzeug muss vor seiner Nutzung verstanden werden. Das Smartphone sollte hier keine Ausnahme darstellen. Da es für ein Kind unter zehn Jahren praktisch unmöglich ist, die komplexe digitale Technologie hinter dem glatten Bildschirm zu verstehen, macht ein elterlicher Schutz vor diesem «Werkzeug» Sinn. Sobald ein bewusster und gesunder Umgang mit sozialen Medien, Videospielen erlernt ist, wird auch die rein quantitative Bildschirmzeit weniger wichtig.  

    Oder wann hat Ihr Kind das letzte Mal eine Gebrauchsanleitung für Software gelesen?

    Im Lehrplan 21, der im Kanton Zürich seit 2018 angewendet wird, wird das Thema «Medien und Informatik» als Modul oder auch «transversales Fach» gelehrt. Richtigerweise wird dabei zwischen Medienbildung (kritisches Denken und Medienverständnis), informatischer Bildung (computational thinking und coden) und Anwenderkompetenzen (Nutzung von Programmen) unterschieden. Da die Silicon-Valley-Konzerne alles daransetzen, dass die Anwendung ihrer Erzeugnisse so einfach wie möglich ist (wann hat Ihr Kind das letzte Mal eine Gebrauchsanleitung für Software gelesen?), sollte der Fokus der Medienbildung in der kritischen Selbstreflexion und im informatischen Grundverständnis liegen. Unsere elterliche Unterstützung in der Medienerziehung ist hierbei unerlässlich. Nicht alle Kinder werden programmieren können, aber alle Kinder sollten wissen, was Programmiererinnen und Programmierer können. 

  • Brauchen auch Eltern feste Bildschirmzeiten?

    Brauchen auch Eltern feste Bildschirmzeiten?

    Netflix schauen während dem Stillen und auf dem Spielplatz kurz auf Insta: Worauf Eltern als Vorbilder achten sollten.

    Liebes Mamablog-Team, immer wieder lese ich in letzter Zeit, dass wir als Eltern schon möglichst früh darauf achten sollten, das Handy nicht ständig zu benutzen. Beziehungsweise, dass sich unser Auf-den-Bildschirm-Starren bereits negativ auf Babys und Kleinkinder auswirken kann. Gibt es dafür Belege? Denn ich muss zugeben: Seit meine Tochter vor acht Monaten auf die Welt gekommen ist, ist mein Handykonsum bestimmt nicht weniger geworden. Beispielsweise habe ich auch während dem Stillen die Zeit genutzt, um kurz bei Insta vorbeizuschauen oder auch mal eine Serie auf Netflix zu schauen. War ich ihr damit bereits ein schlechtes Vorbild? Leserfrage von Vanja

    Liebe Vanja, danke für Ihre Frage. Es ist tatsächlich so, dass Eltern immer besser und kompetenter darin werden, die Bildschirmzeit der Kinder zu kontrollieren. Viele Apps stehen zur Beschränkung und Überwachung der Bildschirmnutzung zur Verfügung (Bildschirmzeit heisst die native App von Apple, Digital Wellbeing diejenige von Google). Um Nutzungsverträge zwischen Eltern und Kinder zu erstellen, empfehle ich die Webseite mediennutzungsvertrag.de, mit der Sie im Handumdrehen einen fairen und gegenseitig verbindlichen Vertrag erstellen können.

    Es geht um die Qualität von Aufmerksamkeit

    Doch wie sieht es eigentlich mit unserer elterlichen Vorbildrolle aus? Im Vergleich zu den immer zahlreicheren technologischen Kontrollmöglichkeiten von Eltern (böse Zungen behaupten, das Geschäftsmodell von Silicon Valley beruhe darauf, selbst geschaffene Probleme zu lösen), gibt es zum Thema elterliche Vorbildfunktion kaum wissenschaftliche Erkenntnisse oder gar Apps.

    In der Forschung spricht man häufig von «Technoference» und von «Phubbing». «Technoference» kommt von «Technological Interference» und beschreibt die Unterbrechung eines menschlichen Kontaktes durch die meist impulsive Nutzung von Bildschirmmedien. Auch «Phubbing» ist eine moderne Fusion der englischen Wörter «Phone» und «Snubbing» (brüskieren, verächtlich behandeln, vor den Kopf stossen). Beide Begriffe stehen also für einen zumeist bewussten Vorzug des Handys gegenüber einer aktuellen, persönlichen Interaktion. Wir sprechen hier von den zahllosen «ich chume grad», «wart schnäll», die wir uns als Antwort von beschäftigten «Screenagern» gewohnt sind.

    Widerstehen Sie dem Bildschirm und lassen Sie Ihr Kind das Tal der Langeweile alleine durchschreiten.

    Inwieweit dieses Verhalten einem von uns Eltern vorgelebten Lebensstil nachahmt, ist die Kernfrage eines noch sehr jungen Forschungszweiges, dem sich auch Eva Unternährer von den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel widmet. Es geht grundsätzlich nicht nur um einen bewussten Gebrauch unserer Aufmerksamkeit, sondern explizit auch um die Qualität der Aufmerksamkeit zwischen Eltern und Kindern.

    Ein Kleinkind spürt schon sehr früh, ob ein «Wow, so schön!» der Eltern als Reaktion von infantilem Gekritzel ernst gemeint ist oder nicht. Zunehmende Evidenz von Forschungen bestätigen, dass ein regelmässiges «Phubbing» von Eltern einen negativen Einfluss auf die Eltern-Kind-Beziehung hat. So kann diese Beziehung sowie auch das Selbstwertgefühl von Kindern durch anhaltende «Technoference» geschwächt werden. Dies wiederum kann einen erhöhten Medienkonsum zur Folge haben und somit zu einem intergenerationellen Teufelskreis werden. Die Mechanismen, welche hier eine Rolle spielen, sind jedoch noch weitgehend ungeklärt und werden aktuell von Eva Unternährer und ihrem Team erforscht.

    Drei Kategorien von Medienerziehung

    Die allermeisten Eltern wollen nur das Beste für die Kinder und wollen sie auch so heil wie möglich durch den Dschungel der digitalen Medien führen. Man unterscheidet hier zwischen drei Kategorien elterlicher Medienerziehung. In der aktiven Mediation wird die kritische Auseinandersetzung von Mediennutzung und Inhalten betrieben. Heisst: Mami und Papi interessieren sich für «soziale» Medien und Games, stellen neutrale Fragen an die Kinder und erzeugen so gegenseitig konstruktive Diskussionen. Die zweite Kategorie ist das Co-Viewing, wo gemeinsame Bildschirmzeit verbracht wird und elterliches Eingreifen nur stattfindet, wenn es Zeit fürs Bett ist oder wenn nicht altersgerechte Inhalte konsumiert werden. Die dritte Kategorie aus der Sicht der Forschung ist die restriktive Mediation, wo der Zugang zu Bildschirmmedien entweder technisch oder mit verbindlichen Richtlinien geregelt ist.

    Soviel zur aktuellen Lage der Forschung. Erfahrungsgemäss liegt es an uns Eltern, den für unsere Familie besten Mix der drei Kategorien zu finden. Unterschätzen Sie dabei nie Ihre eigene Medienkompetenz, die vom Bauchgefühl oder vom gesunden Menschenverstand kommt.

    Denken Sie auch an die digitale Hygiene

    Wir sind als Gesellschaft einer ungeheuerlichen Explosion von Informationen ausgesetzt, vor der wir uns einzig mit einem umsichtigen Umgang mit unserer eigenen Aufmerksamkeit schützen können. Ein Tipp: Führen Sie zum schon bestens eingeübten Händewaschen vor dem Essen auch digitale Hygieneregeln ein. Handys (auch diejenigen von uns Eltern) sollten am besten ausser Reich-, Sicht- und Hörweite sein, wenn wir Zeit mit unseren Liebsten verbringen möchten. Und die digitale Hygiene sollte der Körperhygiene in nichts nachstehen. Dies hilft uns modernen Eltern in unserer Vorbildfunktion als Aufmerksamkeitsmanager.

    Gleichzeitig gibt es nichts Verwerfliches, wenn Sie Ihren Hochzeitstag im Lieblingsrestaurants feiern und dabei Ihr Kind bewusst mit Tablet und Kopfhörern «ruhigstellen». Dies sollte jedoch vorgängig erst unter Eltern und dann auch mit dem Kind besprochen und als Ausnahme deklariert werden.

    Anders ist es, wenn wir uns selbst beim Aushändigen von Handys und Tablets ertappen, um dem notorischen «aber ich weiss nöd was mache» entgegenzuwirken. Hier will das Kind vielfach nicht nur unsere totale Aufmerksamkeit, sondern auch unsere Rolle als Animatoren. Falls wir weder Zeit noch Lust haben, in eine solche Rollen zu schlüpfen (was ab und zu total okay ist), dann sollten wir im gleichen Zug auch die Akzeptanz der Langeweile mitnehmen. Widerstehen Sie dem Bildschirm und lassen Sie Ihr Kind das Tal der Langeweile alleine durchschreiten – denn es ist das Vorzimmer der Kreativität. Die inneren Bilder ihres Kindes werden wach und die tollsten Ideen, Spiele und Kreationen entstehen.

    Die Kunst und individuelle Herausforderung liegt also darin, die für uns wie auch für unsere Kinder ideale Bildschirmzeit zu finden, die uns weiterbringt und inspiriert, jedoch unsere eigene Imagination nicht unterdrückt. Probieren Sie dies doch einfach auch selbst wieder einmal aus.

    Falls Sie interessiert sind, an vorderster Front der Medienerziehungsforschung mitzumachen und Kinder zwischen 2 bis 16 haben, können Sie an dieser Studie der Universität Basel mitmachen.

  • «Isch er nöd en Schnügel?»

    «Isch er nöd en Schnügel?»

    Einige Eltern kennen beim «Sharenting» kaum Grenzen. Hier sind Gründe, warum sie das Posten von Kinderbildern besser lassen sollten.

    Liebes Mamablog-Team, seit meine Schwester vor drei Jahren Mutter geworden ist, postet sie beinahe täglich Bilder ihrer Tochter auf Social Media: Ihre Tochter beim Mittagsschlaf, beim Essen, auf dem Laufrad, im Schnee – selbst beim Zähneputzen wird sie gezeigt. Ich finde, sie geht damit einen Schritt zu weit (was ich ihr auch sage). Ihre Kleine hat ja überhaupt keine Chance, «Nein» zu sagen. Was, wenn ihr die Bilder später peinlich sind? Gibt es denn überhaupt keine gesetzliche Handhabung, die Kinder davor schützen, sie auf Social Media zu «inszenieren»?
    Leserfrage von Laura, 37 aus Zürich.

    Liebe Lara, besten Dank für Ihre gute Frage. Um die kurze Antwort gleich vorweg zu nehmen: Ja, es gibt ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre von Kindern. Die UN-Kinderrechtskonvention feierte soeben ihr dreissigjähriges Bestehen und gilt auch für die Schweiz. Darin ist in Artikel 16 festgelegt, dass kein Kind «willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden darf». Kinder sind übrigens Menschen von null bis 18 Jahren. Soweit mal zum rein Juristischen.

    Natürlich ist die Lage um einiges komplexer.

    Es gehört nun mal zum Elternsein, dass wir auf unsere Sprösslinge stolz sind. Und dies gilt noch viel mehr für First-Time-Parents. Ich war felsenfest überzeugt, dass unser Erstgeborener mit grösster Wahrscheinlichkeit das schönste Kind ist, zumindest westlich vom Kaukasus, das je geboren wurde. Ich führte sogar eine Excel-Tabelle mit den Messdaten des Kopfumfangs und der Grösse unseres Sprösslings, um mich zu vergewissern, dass das Wachstum unseres kleinen Wunders perfekt proportional verläuft. Zwei Jahre später, nach der Geburt unserer Tochter, haben wir sie beiläufig und anstandshalber zweimal auf der Gemüsewaage bei der Italienerin im Quartier gewogen. Soweit zu unserer unausweichlichen und wahrscheinlich angeborenen Blindheit für jegliche Objektivität, solange wir im Banne unseres Nachwuchses stehen.

    Elternstolz will geliked sein

    Demgegenüber steht die soziale Norm, die es einem schlichtweg verbietet, ganz ehrliche Antworten auf Babyfotos zu geben. Wer hat schon jemals ein «Nein, wirklich nicht!» als Antwort gegeben, als ihr ein Smartphone mit Babyfotos und der obligatorischen «Isch er nöd en Schnüggel»-Tonspur unter die Nase gehalten wurde? Elternstolz ist also so natürlich wie die gesuchte Anerkennung im Freundeskreis über unsere freudigen Sprösslinge.

    Die Kombination von hochauflösenden Smartphonekameras, 24/7-Internetzugriff und «sozialen Plattformen» ist hier quasi die ultimative Waffe, die uns Eltern eine Hebelwirkung bietet in unserem vorprogrammierten Sammeleifer von «jöö-so-herzig»-Bestätigungen. Wir wollen alle geliked werden und Babyfotos gehören nun mal zu den effizientesten Strategien, um Aufmerksamkeit und Sympathien zu generieren. Da das ganze Business-Modell der «sozialen» Medien darauf beruht, unser menschliches Grundbedürfnis der sozialen Anerkennung auszunutzen und zu monetisieren, ist es für uns fast unmöglich, der Versuchung zu widerstehen.

    Gefährlicher digitaler Footprint

    Das neue Phänomen von teilfreudigen Eltern nennt sich «Sharenting». Die Problematik liegt darin, dass wir Eltern die Lebensnarration unserer Sprösslinge wortwörtlich aufgleisen und online zementieren, lange bevor sie sich ihre eigene Identität bilden. Getrieben von unserem eigenen Bedürfnis, geliked zu werden, erfinden, erzählen und verkaufen wir die Geschichte unserer Kinder, ohne sie zu fragen. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass unser Sorgerecht uns die Freiheit gibt, die Privatsphäre des Kindes frei zu gestalten, zumal es noch zu jung ist, sich zu wehren – geschweige denn, die längerfristigen Konsequenzen zu verstehen.

    So kann aus der herzig verzerrten Grimasse eines Kleinkindes plötzlich eine Mobbing-Vorlage in der Sekundarstufe werden.

    Es kommt immer öfters vor, dass Teenager dem von uns Eltern vorgegebenen digitalen Fussabdruck nicht folgen wollen, können oder mögen. Dies führt unweigerlich zu schwierigen Fragen, gefolgt von peinlichen Erklärungsversuchen und Unstimmigkeiten. Jugendliche, die ihre eigenen Eltern wegen Missachtung ihrer Privatsphäre eingeklagt haben, gab es bisher nur aus mangelnder gesetzlicher Grundlage nicht. Es ist jedoch ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder digitale Inhalt irgendwann, irgendwo von irgendwem aus dem Kontext gezogen wird und anders interpretiert werden kann. So kann aus der herzig verzerrten Grimasse eines Kleinkindes (geschweige denn Fötelis mit Windeln in verschiedenen Abnutzungsstufen) plötzlich eine Mobbing-Vorlage in der Sekundarstufe werden. Einmal im Netz, immer im Netz.

    Passwort geschützte Familienalben als Alternative

    Eine generelle Datensparsamkeit ist sicher vorteilhaft – sowohl für uns Eltern, als auch für unsere Kinder. Gemäss einer englischen Studie werden im Durchschnitt 1500 Fötelis von den eigenen Kids gepostet, bevor diese fünf Jahre alt sind.

    Es ist empfehlenswert, dass wir unsere Kinder so früh wie möglich um ihre Einwilligung fragen, bevor wir drauflosposten. Und wie wäre es, wenn wir gänzlich aufs öffentliche Posten verzichteten, solange wir den Kindern die Konsequenzen nicht erklären können bzw. letztere sie noch nicht verstehen können? Online Familienalben sind genial, gehören aber generell Passwort geschützt. Unsere Zoom-Familien-Weihnachten zwischen Chile, Kanada und der Schweiz war übrigens ein Riesenerfolg. Drei Generationen scrollten zusammen durch das digitale Familienfotoarchiv, was uns die trübe
    COVID-Abstandsrealität für einen Moment gänzlich vergessen liess.

  • So kauft man eine Banane im Zürcher Hauptbahnhof

    So kauft man eine Banane im Zürcher Hauptbahnhof

    Sie sind mit ihrem Nachwuchs unterwegs und möchten noch kurz eine Banane als Znüni kaufen, bevor’s ab in den Zug geht? Nichts leichter als das. Sie haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

    Plan 1:

    Sie machen es modern und elektronisch. Dazu müssen sie ein Handy mit genügend Akku und einen funktionierendem Internet Anschluss haben. So können sie die App «avec» von Valora runterladen und installieren. Um diese zu aktivieren, müssen sie ihren kompletten Namen, ihr Geburtsdatum, einen Ausweis mit Foto, Ausweisnummer und Ablaufdatum sowie ihre Nationalität hinterlegen. Desweitern natürlich ihre Kreditkarten Nummer, ihre Telefon Nummer wie auch E-Mail-Adresse. Ist dies Mal gemacht, müssen sie auch die Nutzungsbedingungen und die damit verbundene Datenschutzerklärung akzeptieren. So geben sie der Valora Schweiz AG zum Beispiel das Recht, die Kamera ihres Handys zu benutzen, ihren USB Speicher zu lesen, durch Netzwerk Verbindungsdaten ihren genauen Standort zu berechnen und ihrem Handy den Schlaf(modus) zu entziehen. Ihre persönlichen Daten können dann z.B. für Aufklärungen von Straftaten genutzt werden. Falls sie zum Beispiel überdurchschnittlich lange vor dem Tabakregal stehenbleiben, ohne zu kaufen, könnten die mit Gesichtserkennungs-Software ausgestatteten Überwachungskameras und die Bewegungssensoren dies als «verdächtig» einstufen. Könnte ja sein, dass sie entweder noch nie Zigaretten gekauft haben oder dass der Gesichtserkennungsalgorithmus sie als Minderjährig einstuft. Die Videoaufnahmen von ihrem Besuch werden dann solange gespeichert, wie es die Valora erforderlich erachtet. Valora will explizit nicht nur Straftaten aufklären, sondern diese auch proaktiv verhindern, genauso wie Tom Cruise als Precrime Detektiv im Film Minority Report.

    Da sie die App entweder durch den Apple oder Google Store runtergeladen haben, sind auch Ortungs- und Identifikationsdaten von Ihnen (IP Adresse, Geräte- und Telefon Nummer etc.) mit Google und Apple geteilt worden. Somit wissen auch die amerikanischen Behörden was grad so läuft. Da kann aber Valora nichts dafür. Für «andere berechtigte Interessen» jedoch kann Valora ihre Daten auch mit ihren Tochterunternehmen teilen. So können ihre Daten durchaus mit den über 350 Back Werk Bäckereien in Deutschland, mit den Brezelkönig Läden, den Café Spettacolo und vielen anderen Valora Mitgliedern geteilt werden, denn Verkaufsförderung durch Datenanalyse kann durchaus als «berechtigtes Interesse» der Valora interpretiert werden. Die Daten werden übrigens in der Schweiz bearbeitet und dann in Cloud Servern in Deutschland und in Irland gespeichert. Falls mit diesen Rechenzentren keine für die Schweiz verbindlichen Vertragsklauseln bestehen, verlässt man sich gutgläubig auf eine «Selbstzertifizierung» dieser Unternehmen. Sollte Valora selbst mal aufgekauft werden, z.B. von Amazon oder Walmart, dann darf der neue Besitzer natürlich auch wissen, wie viele Bananen sie gekauft haben.

    Also, alles akzeptiert und aktiviert. Jetzt können sie die «avec Box», d.h. den unbedienten Containerladen, betreten, indem sie einen QR Code scannen und der Box sagen, wer sie sind und dass sie genügend Geld haben, um eine Banane zu kaufen. Schnappen sie sich die Banane, wägen sie diese, und scannen sie den richtigen Code ein. Sollte es Probleme beim Scannen geben, können sie einfach die App Hotline anrufen. Es kann auch sein, dass ihr Handy Akku mittlerweile den Geist aufgegeben hat. Vergewissern sie sich in diesem Fall, dass ihr virtueller Einkaufskorb leer ist, und verlassen sie den Laden diskret, natürlich ohne Banane. Bei erfolglosem Bananenkauf auf keinen Fall den Notfall-Knopf drücken, denn dies müsste ihnen mit Umtriebskosten von Fr. 150 belastet werden.

    Plan 2:

    Griff in den Hosensack und Barbezahlung der Banane mit einem Einfränkler bei einem Gemüseverkäufer.