Détox numérique

Fluch und Segen des Smartphones

Eine wichtige und gelungene Diskussion über das Smartphone in der SRF Sendung „Sternstunde Philosophie“. Wir brauchen wederTechnologie Verteufler noch früher-war-alles-besser Argumente, sondern eine differenzierte und aufklärende Diskussion über die unbegrenzten Möglichkeiten digitaler Technologie. Es ist nicht nur das technische Verständnis der Smartphone Blackbox, sondern sogar unsere Fantasie und Vorstellungskraft über das, was mit digitaler Technologie gemacht werden kann, an dem es uns fehlt. Tägliche Aufklärung durch einen ergebnisoffenen und konstruktiven Dialog, gerade auch zwischen jung und alt, ist angesagt!

Hier geht es zur 60 minütigen Sendung : https://www.srf.ch/play/tv/sternstunde-philosophie/video/digital-detox—das-smartphone-ein-gift?urn=urn:srf:video:93e14955-0f5b-46c8-b0de-420920f0973d

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Digital Detox Woche für Jugendliche

Handy ausschalten.

Kopf lüften. Zusammen kochen. Hexenturm besichtigen. Morgen-Yoga. Musik komponieren. Lachen. Lagerfeuer. Sternenhimmel. Wandern. Lesen. Geschichten erzählen. Hängen. Denken. Träumen. Im Heu übernachten. Entdecken. Zuhören. Atmen. Ziegen melken. Nichts machen. Zeichnen. Geniessen. Diskutieren. Zusammen lernen. Degustieren. Hinterfragen. Tanzen. Leben. Baden. Bewusst. Sein. 

WER? : Für junge Menschen zwischen 16 und 22 Jahre, die Lust haben, eine Woche in einer traumhaften Umgebung und ganz ohne Handy zu geniessen.

WIE? : Individuelle An- und Abreise, idealerweise per öV bis nach Soglio, Villagio (evenutelle Mitfahrgelegenheiten können wir untereinander organisieren)

WANN? : Samstag 4. Juli bis Samstag 11 Juli 2020 (6 Übernachtungen).

WIEVIEL? : Fr. 660.? alles inklusive (Übernachtung in Wohnung, Verpflegung, Museum, Führungen, Coaching).

UND JETZT? : Sofort reservieren, falls Du Lust hast. Bitte fülle das untenstehende Formular aus, ruf mich an (079 880 89 28) oder schick mir eine E-Mail.

Minimum 5, maximum 6 Personen. Ganzer Betrag muss vor Abreise bezahlt sein. Versicherung ist Verantwortung der TeilnehmerInnen. Mehr Details per Telefon. Durchführung bei jeder Witterung. Keine Rückerstattung.

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bleiben Sie resilient

Bleiben Sie resilient

Vor etwa zehntausend Jahren haben unsere Vorfahren einen tiefgreifenden Entscheid getroffen. Anstatt sich als Nomaden der Natur anzupassen, hatten sie entschieden, die Natur unseren Bedürfnissen anzupassen. Anstatt jagend und sammelnd durch Wälder und Wiesen zu ziehen, erfanden wir den Ackerbau und die Viehhaltung. Wilde Tiere wurden gezähmt, wobei die zahmsten belohnt wurden und die wilden meist sofort geschlachtet und verzehrt wurden. Dämme wurden gebaut und Sümpfe getrocknet, Siedlungen wuchsen zu Dörfern und Dörfer wurden zu Städten.

Suche nach dem Sinn

Dieser neolithischen Revolution folgte Jahrtausende später ab Mitte des 18. Jahrhunderts die industrielle Revolution, wo wir unsere eigene Körperkraft durch Maschinen zu ersetzen begannen. Diese ermöglichte eine einzigartige Explosion von Waren- und Nahrungsmittelproduktion, die wiederum eine Bevölkerungsexplosion (siehe untenstehende Grafik) nach sich zog. Und heute stehen wir am Anfang der kognitiven Revolution. Nachdem wir den Maschinen körperlich schon längst unterlegen sind, sind wir drauf und dran, unsere kognitiven Vorteile gegen künstliche Intelligenz (KI) zu verlieren. Was in dieser neuen Welt genau unsere Aufgabe und der neue Sinn des Lebens sein wird, weiss niemand so recht. Weder die schlausten KI-Spezialisten noch die heranwachsende Generation von orientierungslosen Menschen hat dazu schlüssige Antworten.

Naturentfremdung schwächt Resilienz

Sucht man nach einem roten Faden durch die letzten zehntausend Jahre ist es zweifellos die Entfremdung zwischen Natur und Mensch. Mit jedem «Fortschritt» sind wir von der Natur fortgeschritten und haben uns dadurch gleichzeitig fragiler gemacht. Jede technologische Errungenschaft ist ein Hammerschlag auf den Keil, den wir zwischen uns und der Natur einschlagen. Ja, natürlich sitze auch ich vor einem Grossbildschirm an meinem Laptop, der auf einem Chromstahl-Glastisch in einer angenehm temperierten Zürcher Wohnung mit Glasfaser-, Erdgas-, Wasser-, Elektrizitäts- und ÖV-Anschluss steht.

Die Lüge der Nachhaltigkeit

Uns in diesem naturfremden Komfort jedoch resilient zu glauben grenzt entweder an unerhörte Überheblichkeit oder an unsere naturgegebene Torheit. Seit Jahrhunderten durchlöchern wir die Erde und entziehen ihr alles, was brenn- und verwertbar ist. Die teils gigantischen Löcher von ausgeschöpften Minen nutzen wir dann als sogenannte «Landfills». Wir danken Mutter Natur für ihre Schätze, in dem wir ihre von unserer Gier verursachten Wunden mit Schrott und Abfall vollstopfen. Wir schämen uns dabei nicht, ständig von Nachhaltigkeit zu sprechen und überlassen es den fröhlichen Wissenschaftlern, unser schlechtes Gewissen mit Nachhaltigkeitsstudien zu übertönen.

COVID-19, ein Prank der Natur?

Jetzt spielt uns die Natur einen Prank, schickt uns ein hartnäckiges, leicht abgeändertes Virus als schädlicher Trittbrettfahrer unserer Körperzellen. Und effektiv, für tausende von fragilen Menschen mit langjähriger Krankheitsgeschichte ist der Virus tödlich, genauso wie jeder der vorgängigen Grippeviren. Diese unvorstellbar kleinen Wesen schaffen es auch, eine weltweite Hysterie und eine noch nie dagewesene Angstwelle zu erzeugen. Demut, Einsicht und Respekt sind angesagt, und zwar vermehrt gegenüber Mutter Natur und weniger gegenüber einem Guru, Gott oder Götzen.

Bleiben Sie resilient, sagt die Mülltonne

Nutzen wir die Entschleunigung genau dazu. Wie mein guter Freund vor ein paar Tagen zu mir gesagt hat: «It?s time to go home». Nähern wir uns also wieder der Natur, Schritt für Schritt. Fortschritt sollte ab sofort als ehrliche und tatsächlich nachhaltige Annäherung zur Natur gemessen werden. Dazu braucht es mehr als die beklebte Mülltonne vor meiner Haustüre, die mir empfiehlt, resilient zu bleiben. Auch ich habe noch einen langen Weg vor mir, bin aber überzeugt, dass der Zeitpunkt dafür jetzt ist. In der Zwischenzeit habe ich gelernt, Ziegen zu melken, draussen zu schlafen, wenn immer möglich das Velo zu benutzen und lokale, saisonale Gemüse und Früchte zu essen. Vegetarier bin ich seit Geburt und an einem alpinen Gartenprojekt arbeite ich seit längerem. Falls Du Interesse hast, mitzumachen, melde Dich bitte bei mir.

Bleiben sie zuhause. Bleiben Sie resilient

Bleiben wir gesund und werden wir resilient. Danke fürs Lesen.

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Digitales Zeitalter der Beleidigungen

Von Trump bis Greta: Warum wir mit unseren Kindern über Onlineethik sprechen sollten.

Es hat etwas Surreales an sich. Während Schulleiter, Sozialpädagogen und Fachpersonen für Medienkompetenz mehr denn je über die Gefahren und teils fatalen Folgen von Sexting, Cybermobbing und unüberlegtem Nutzen von digitalen Medien unterrichten, beleidigen und demütigen sich die mächtigsten Männer der Welt via soziale Medien vor den Augen der Weltöffentlichkeit.

Gegen die rüpelhaften und respektlosen Tweets des amtierenden Präsidenten der USA, scheint sich die Welt leider bereits abgestumpft zu haben. Ein Zeichen davon ist die steigende Zahl anderer hochrangiger Politiker, die im Kielwasser seines schlechten Geschmacks Beleidigungen tweeten, die mich sprachlos machen und leer schlucken lassen. So bringt es Herr Bolsonaro, seines Zeichens brasilianischer Präsident, tatsächlich fertig, Herrn Emmanuel Macron via Twitter über das Aussehen seiner Frau zu beleidigen und gleichzeitig über seine jüngere First Lady zu prahlen.

Und als ob dies nicht genug des flegelhaften Benehmens wäre, gibt sich Herr Bolsonaro beleidigt vom kolonialistischen Gehabe des französischen Präsidenten und erwartet von diesem eine Entschuldigung, bevor er bereit ist, internationale Hilfe zur Löschung von Waldbränden im Amazonasgebiet anzunehmen. Ja, natürlich ist dies zumindest die Erzählung, die wir von den Mainstream-Medien erhalten.

Die Pest der glorifizierten Selbstdarstellung

Scheinbar gerechtfertigt vom rasant dahinschmelzenden Anstand und Respekt dieser Herren brachte es der Fox-News-Reporter Michael Knowles tatsächlich fertig, Greta Thunberg vor laufender Kamera als «mentally ill Swedish child» abzukanzeln.

Ich habe immer mehr das Gefühl, dass wir als Gesellschaft die Macht und die genialen Vorteile der digitalen Medien nicht verstanden haben. Anstatt als Kollektiv das direkte, weltumspannende Netz der Kommunikation zu nutzen, um uns weiterzuentwickeln und unser Wissen zu teilen, scheint die Pest der glorifizierten Selbstdarstellung und der Echtzeit-Beleidigungen Überhand zu nehmen. Getrieben durch clevere Algorithmen, die unser basales Bedürfnis nach Anerkennung schamlos ausnützen und uns auf der Jagd nach Likes Anstand abwerfen lassen, wird das Netz zunehmend zum Zeugnis eines beschämenden Verhaltens unserer Spezies. Um Shares, Views und Likes zu generieren, müssen wir immer schriller und lauter schreien, damit wir im infernalen Lärm des Netzes überhaupt wahrgenommen werden. Da das Geschäftsmodell der sozialen Medien darauf beruht, den von uns selbst produzierten, beworbenen und vertriebenen Inhalt zu monetarisieren, geht die Rechnung auf, zumindest für Facebook & Co.

Unser aller Kollateralschaden

Den kollateralen Schaden, den wir individuell wie auch als Gesellschaft davontragen, zeichnet sich zunehmend in Form von Depression, Überreizung, Stress und Vereinsamung ab. Wir scheinen nach wie vor nicht verstehen zu wollen, dass das Internet vor allem als ein Verstärker und Beschleuniger funktioniert, der unser Hier und Jetzt auf radikale Art aushebelt. Der Schutz des Hier (im Hinterhof der Schule) und Jetzt (was ich sage, ist flüchtig und verstummt sofort) ermöglichte ein respektloses Verhalten mit begrenzten Folgen und Risiken, zumindest für den Täter. Durch die immer bereite Handykamera wird alles gefilmt, hochgeladen, geteilt und auf unbestimmte Zeit gespeichert.

Was wir brauchen, sind kritische Gespräche zur Onlineethik. Eltern-Kinder-Gespräche über die Nutzung von digitalen Medien. Greta ist ein Vorbild und die Hoffnung unserer Kinder. Und eine wunderbare Einladung, gegenseitig bereichernde Gespräche über Werte, (mediale) Inszenierung und Wahrnehmung zu diskutieren. Während wir Eltern unbedingt den Kindern zuhören und von ihrem cleveren technischen Verständnis profitieren sollten, können Jugendliche von uns das Abschätzen von Risiken sowie das kritische Hinterfragen und Durchdenken von Konsequenzen lernen ? allesamt Fähigkeiten, die ein gewisses Alter voraussetzen. Es sei denn, wir heissen Trump oder Bolsonaro.

Dieser Artikel ist erstmals im Tages-Anzeiger vom 10. Oktober 2019 erschienen. https://blog.tagesanzeiger.ch/mamablog/index.php/84803/digitales-zeitalter-der-beleidigungen/

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Mein Kind, darum sollst du nicht Fortnite spielen!

Als längst fälliger Ausgleich zu meiner Hacklist, in der ich Fortnite spielende Jugendlichen half, mit den Eltern zu verhandeln, hier nun eine Argumentationsliste für uns Eltern, um der grassierenden Fortnite Epidemie entgegenzuwirken. Gleiche Spielregeln: die Argumente können beliebig kombiniert werden und selbstverständlich altersgerecht kommuniziert werden.

  1. Gewaltverherrlichung

Im Zeitalter von abscheulichen Massenmorden mit Maschinengewehren und gleichzeitiger Helmkameras für eine Live-Übertragung auf Facebook ist jegliche Gewaltverherrlichung in der Erziehung schlicht fehl am Platz. Obwohl das Spiel bewusst aussieht wie ein Action-geladener Comicfilm, handelt es sich in erster Linie um ein Shooter Game, bei dem die Spieler töten müssen, um nicht getötet zu werden. Erklären sie ihrem Kind, warum töten weder im Spiel noch im richtigen Leben gut ist und warum das Resultat einer Gewalttat nie konstruktiv sein kann.

 

  1. Suchtgefahr

Jedes hochklassige «gratis» Videospiel verzehrt zig Millionen Franken an Entwicklungs- und Marketingkosten. Damit diese Investitionen gedeckt werden können, setzten die Spielentwickler sämtliche Tricks ein, um das Geld schnellstmöglich wieder reinzuspielen. Die Spieler mit verschiedenen Modi, Belohnungen, Special Effects und vielen kaufbaren Skins abhängig zu machen, ist somit integraler Bestandteil der Strategie des Spielentwicklers. Fragen Sie ihr Kind, was das Spiel so cool macht und spielen sie selbst mal mit, um die süchtig machenden Elemente zu erkennen und danach zu besprechen.

 

  1. Aggressivität

Es geht um Leben oder Tod. Von anfänglich 99 Schützen überlebt nur einer. «Dienstverweigerung» oder cleveres Verstecken und abwarten bis alle Mitspieler tot sind, ist nicht möglich, da sich die Kampfzone mit zunehmender Spieldauer automatisch verkleinert. Mit virtueller Todesangst steigt Stress und mit Stress steigt Aggressivität. Diese Aggressivität überlebt regelmässig die Spieldauer und wird dann häufig unkontrolliert am Tisch, Bett oder schlimmstenfalls sogar an Geschwistern abgebaut. Erklären sie dem Kind, dass der virtuelle Stress durchaus reelle körperliche Reaktionen auslösen kann.

 

  1. Sozialer Druck

Genau so wie unsere Jugendliche auf dem Pausenplatz die coolsten Markenartikel tragen wollen sind auch die trendigen Kampfanzüge in Form von sogenannten Skins heiss begehrt. Diese Skins kauft man sich mit V-Bucks, der Fortnite Währung. Und da die Skins keinerlei Einfluss haben auf die Gewinnchancen, handelt es sich um ein rein soziales Phänomen wo die Gamer sich durch coole Klamotten von Mitspielenden abgrenzen wollen. Viele Fortnite spielende Youtuber haben Lieblings-Skins und erhöhen dadurch zusätzlich den Druck auf ihre Fans, die gleiche Skin kaufen zu wollen. Ermuntern sie ihr Kind und erklären ihm, dass Selbstvertrauen nicht von Kleidern abhängig ist.

 

  1. Finanzielle Kompetenz

V-Bucks als offizielle Währung von Fortnite ist, genau wie eine Kreditkarte auch, eine Trennschicht vom realen Geldwert. Es ist erwiesen, dass uns das Ausgeben viel einfacher fällt, wenn wir anstatt mit Bargeld die Kreditkarte benutzen. Umso einfacher fällt es unseren Kindern, in einer virtuellen Währung virtuelle Kleider zu kaufen. Die Kreditkarten-Abrechnung kommt dann sowieso direkt an Papi oder Mutti. Erstellen sie zusammen mit ihrem Kind eine Preistabelle für V-Bucks und erkunden sie gemeinsam die verschiedenen Währungskurse (V-Bucks kosten je nach Plattform, d.h. PS4, XBoX, PC mehr oder weniger und können nur auf der entsprechenden Plattform genutzt werden).

 

  1. Nicht förderlich für schulische Leistungen

Sprechen Sie irgendeine Primarschul Lehrperson auf Fortnite an und sie werden höchstwahrscheinlich sehr ähnliche Antworten erhalten. Die Popularität des Spiels hat teilweise epidemische Ausmasse angenommen und kann sich entsprechend negativ auf die schulische Leistung auswirken. Übermüdung und mangelnde Konzentration sind dabei die beiden meistverbreiteten Symptome vom zu vielen gamen. Erarbeiten Sie zusammen zeitliche Regeln, halten sie diese schriftlich fest, definieren sie Konsequenzen beim Nichteinhalten und ziehen sie diese konsequent durch. Die Kinder brauchen diese Grenzen.

 

  1. Spitze des Eisberges

«Was willst du einmal werden, wenn du gross bist?» war schon zu meiner Zeit die Lieblingsfrage der Grosseltern an die Enkelkinder. Lokiführer, Feuerwehrmann und Piloten wurden mittelweile weggedrängt durch «Youtuber» oder «Fortnite Profi». Diese «Berufe» werden neuerdings nochmals vereinfacht mit der simplen Antwort «reich und berühmt». Erklären sie ihrem Kind, dass für jeden Fortnite Profi mit mehr als einer Million Abonnenten hunderttausende von Kindern gibt, die es nie über 100 Abonnenten geschafft haben. Erklären Sie auch, dass es weltweit schätzungsweise über 30 Millionen «Youtuber» mit eigenem Kanal gibt (dreieinhalb Mal die Schweizer Bevölkerung) und dass diese im Schnitt etwa einen Franken pro tausend «view» erhalten! Nach dem Zweitausendzweihundertsten Stream deines Videos kannst Du Dir ein Ragusa kaufen.

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Sind wir wirklich Handysüchtig?

Lange ging man davon aus, dass Sucht ausschliesslich durch Konsum von Drogen wie Nikotin, Alkohol oder Heroin entstehen kann. Eine weitere Grundvoraussetzung zur Suchtdiagnose war die Marginalisierung. Süchtig war, wer einer Randgruppe von Drogenkonsumenten angehörte, die die Kontrolle über dessen Konsum verloren hatte.

Ein bestimmtes Verhalten als Sucht zu definieren ist relativ neu und die Entdeckung von Verhaltenssucht war eher zufällig. Als in den Fünfzigerjahren ein kanadisches Team von Wissenschaftler Versuche mit Ratten durchführten, lief etwas schief. Mehrere Tiere wurden mit elektrischen Sonden im Hirn ausgestattet, die einen Stromschlag auslösten, sobald die Tiere einen Metallhebel berührten. Erwartungsgemäss mieden sämtliche Ratten den Kontakt mit dem Metallhebel, um unnötiges Leiden zu vermeiden. Ausser einer Ratte. Diese drückte im Sekundentakt munter den Metallhebel bis sie nach 12 Stunden an Erschöpfung starb. Es stellte sich nachträglich heraus, dass die Ratte weder masochistisch veranlagt war noch unter Selbstmordgelüsten litt. Beim Einbau der Sonde unterlief den Wissenschaftlern ein winziger Fehler : die Sonde wurde nicht im Mittelhirn eingesetzt, sondern vielmehr im benachbarten «Lustzentrum». Und so wurde aus einem ursprünglich bescheidenen Experiment eine bahnbrechende Erkenntnis. Es gibt ein «Lustzentrum» im Hirn, das durch gezielte Stimuli gereizt werden kann und durch das Ausstossen von Hormonen wie Dopamin und Serotonin Glücksgefühle erzeugt.

In den achtziger- und Neunzigerjahren dann war die Pionierzeit von sogenannten Verhaltensforschern angebrochen. Nicht weniger als 6 Verhaltenswissenschaftler gewannen in den letzten dreissig Jahren den Wirtschaftsnobelpreis. Der Schwerpunkt der Forschungen war immer das Verständnis von irrationalem menschlichen Verhalten gegenüber rein wirtschaftlicher Logik. Warum fällt es uns schwerer, etwas zu verkaufen, das wir lieben (das Konzert Ticket meiner Lieblingsband ist doppelt so viel wert auf dem Schwarzmarkt)? Wie verändern wir unser Verhalten, nur weil wir geliebt werden wollen (stundenlanges Posen für das richtige Insta Selfie)? Warum überschätzen wir systematisch unser eigenes Wissen (Fehlprognosen für Marktentwicklung und Börsenkurse)? Durch tausende von Versuchen und Befragungen gelang es der Wissenschaft, unser irrationales Verhalten (d.h. Denkfehler) bei Entscheiden zu verstehen, zu messen und entsprechend vorherzusagen.

Alle wollen geliked werden

Und schliesslich kam das Zeitalter von Facebook mit der genialen Idee, unser Lustbedürfnis mit den kalkulierbaren Denkfehlern und Entscheidungsschwächen zu verkoppeln. Wir wollen alle geliked werden und wir sind alle entsprechend beeinflussbar. Von der Hintergrundfarbe über das Screensaver Bild bis hin zur Grösse, Form und Position von Action-Buttons ist alles genaustens abgestimmt, damit wir uns so verhalten, wie sich das Facebook wünscht. Und da Facebook praktisch ausschliesslich von Werbegeldern lebt geht es darum, unsere Aufmerksamkeit so lange wie möglich zu halten, um die daraus entstandenen Verhaltensdaten zu monetisieren und den Shareholder bestmöglichste Quartalszahlen zu liefern. Die kombinierten Erkenntnisse von Suchtforschung, Hirnforschung, Psychologie und Verhaltensforschung sind also verdammt clever verpackt worden, als «Soziale Medien» gebrandet und den Konsumenten und Konsumentinnen «gratis» zur Verfügung gestellt worden. Mit dem übergeordneten Ziel der kurzfristigen Gewinnmaximierung.

Und so verbringen wir unsere tägliche Pendlerzeit, unseren Klo-Aufenthalt, unser Aufstehen und ins Bettgehen mit dem monotonen Anstarren unseres Handys. Da es sich um ein Massenphänomen handelt, ist zumindest die Sucht-Definition von einer Randgruppe nicht mehr länger gültig. Und obwohl sich die American Psychiatric Association (APA) in ihrem weltweit gültigen diagnostischen und statistischen Handbuch von Geisteskrankheiten (DSM) «Sucht» explizit von Drogenkonsum auch auf Verhaltenssucht ausgeweitet hat, können wir die Titelfrage nicht schliessend beantworten. Um als «süchtig» zu gelten genügt es nicht, von einem bestimmten Verhalten oder Konsum abhängig zu sein. Wir müssen uns zusätzlich bewusst sein, dass unser Verhalten auf Dauer schädlich für unsere Gesundheit ist. Und um diese Sachlage schliessend zu bestätigen, fehlen uns entweder entsprechende Langzeitstudien oder aber die Lobbyisten aus dem Silicon Valley machen einen hervorragenden Job, um solche Studien (noch) zu verhindern.

 

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Warum eine Medienkotz-Funktion sinnvoll wäre

Je nach Studie und Alter verbringen wir täglich zwischen vier- bis zehnmal mehr Zeit mit Medienkonsum als mit Essen und Trinken. Während ein Durchschnittsfranzose noch ganze zwei Stunden und elf Minuten pro Tag dem genussvollen Essen und Trinken widmet, wird bei einer Durchschnittsamerikanerin die Nahrung in einer Stunde und einer Minute gedownloadet. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch bei uns die Zeit für Nahrungsaufnahme abnimmt ? während diejenige für die digitale Nahrungsaufnahme zunimmt. Wie diese Veränderung auf uns wirkt und was sie mit unserem Körper und Geist anstellt, ist noch sehr ungenügend bekannt und Gegenstand eifriger Forschung.

Mich faszinieren die vielen Parallelen zwischen herkömmlicher Nahrungsaufnahme und Medienkonsum. Essen und Trinken ist ein bisschen wie russisches Roulette für unseren Körper, denn weder der arme Magen noch die scheue Leber wissen ja, was von oben herab auf sie zukommt. Generell können wir zwischen drei Kategorien von Nahrung unterscheiden. Erstens qualitativ brauchbare und nützliche Nahrung, die vom Körper direkt in Energie umgewandelt wird. Zweitens qualitativ ungenügende oder überflüssige Ware, die unser Körper auf normalem Weg ausscheidet. Und drittens gefährliche und schädliche Nahrung, bei der unser Körper ein Notfallprogramm startet und eine sofortige Umleitung des Verdauungszyklus einleitet. Idealerweise halten wir dabei unseren Kopf über die Toilette und warten, bis der Auto-Upload von Nahrung fertig ist, um uns danach dem Reboot-Prozess unseres Körpers zu widmen.

Lehrreiche Sequenzen und hilfreiches Vergessen

Wenn wir diese drei Qualitätskategorien nun auf unseren digitalen Medienkonsum übertragen, dann sieht es ungefähr so aus. Erstens haben wir Inhalte in Form von Text, Ton, Bild und Video, die unseren spezifischen Bedarf an Informationen decken. Grosspapi schaut die «Tagesschau», Mutti schaut sich ein Torten-Dekorations-Ideen-Video auf Youtube an, und die Tochter liest die sechs Seiten im Geschichtsbuch für die morgendliche Prüfung. Diese Mediennahrungsaufnahme macht uns schlauer, intelligenter und kompetenter.

Als zweite Kategorie haben wir einen Ozean von Unterhaltung von Chats über Netflix-Serien, «Fortnite»-Game, Champions League bis zu Büsi-Videos. Die lehrreichen Sequenzen merken wir uns dabei in der Hoffnung, dass wir uns daran erinnern, falls die Info dann wirklich mal nützlich wäre. Lifehack auf gut Deutsch. Für die unzähligen Stunden von überflüssigem Inhaltskonsum hat unser Hirn als Verdauungsorgan eine allgemein unterbewertete Ausscheidungsmethode: das Vergessen. Es handelt sich auch hier um ein von unserem Körper weitgehend autonom gesteuertes Programm, bei dem Schrott von Nützlichem getrennt wird.

Nebenwirkungen und die Wunderwaffe

Falls Sie bis jetzt aufmerksam gelesen haben, merken Sie schon, dass die dritte Kategorie von Medienkonsum durchaus ein Risiko birgt. Leider ist es in der Tat so, dass unser Hirn keine Kotzfunktion für IS-Hinrichtungsvideos, üble Cybermobbing-Inhalte oder auch Unter-der-Gürtellinie-Tweets vom amerikanischen Präsidenten hat. Und genau hier liegt der fundamentale Unterschied. Während unser Körper sofort und automatisch handelt, um giftige Nahrung oder zu viel Alkohol aus dem System zu befördern, müssen wir uns mit schädlicher Mediennutzung erst mal selbst zurechtfinden. Albträume können so zum Beispiel als Verdauungsschwierigkeit von problemhaftem Filmkonsum gedeutet werden. Physische und psychologische Aggressivität eines Jugendlichen können durchaus als Nebenwirkung von übermässiger digitaler Ernährung durch (Gewalt darstellende) Videogames interpretiert werden.

Da wir alle eigentlich immer noch in den Kinderschuhen stecken, wenn es um das Verständnis und das Nutzenpotenzial von digitalen Medien geht, müssen wir leider davon ausgehen, dass uns die fehlende «Medienkotz-Funktion» noch vor viele gesundheitliche Herausforderungen stellen wird. Bis unser Körper bzw. unser Geist in hoffentlich ein paar Hunderttausend Jahren ein solches Feature entwickelt hat, heisst die Wunderwaffe genau wie beim Essen und Trinken auch beim Umgang mit digitalen Medien: Prävention. Leider knüppelharte Arbeit für uns Eltern.

Dieser Artikel ist erstmals im Tages-Anzeiger erschienen.

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Smartphone Verbot an Frankreichs Schulen

Ab dem neuen Schuljahr im September 2018 gilt in Frankreichs Schulen ein allgemeines Handy Verbot. Steigende Probleme mit Smartphone Abhängigkeit, Cyberbulling und Konzentrationsschwächen haben die französische Regierung zu diesem drastischen Schritt bewogen.

Leider kommt ein landesweites Verbot von Smartphones an Schulen einer Zensur gleich und die Geschichte lehrt uns, dass eine Zensur noch nie eine nachhaltige Lösung zu einem gesellschaftlichen Problem war. Ein Verbot wirkt für Jugendliche als zusätzlicher Anreiz und ist aus Suchtpräventions-Sicht nicht mehr als eine Symptombekämpfung.

Unter anderem durch Smartphone Fotos von US Soldaten flog der Folterskandal im irakischen Gefängnis Abu-Ghuraib auf, wo irakische Insassen durch das US Militär misshandelt und gefoltert wurden. Der damalige US Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat als erster Schritt zur Problemlösung ein sofortiges Verbot von Smartphones und Kameras erlassen!

Viel nachhaltiger als ein Verbot von Smartphones ist deshalb eine Medienerziehung und eine konsequente Förderung von Medienkompetenz und zwar sowohl für Schulleitung, Lehrpersonen, Schüler wie auch Eltern. Sich über die Chancen und Risiken von digitalen Medien schon von früh auf bewusst zu sein und sich mit dem Thema durch Medienkompetenz Lerneinheiten spezifisch auf dem letzten Stand zu halten scheint mir die mit Abstand beste Lösung zu dieser rasant steigenden Herausforderung. «Détox numérique» Wochenende oder sogar Wochen sind dabei eine sinnvolle Taktik, um uns unter anderem das nötige kritische Denken gegenüber unserem eigenen Medienkonsum anzueignen.

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Digitale Denkpausen sind nötig

Ab und zu abschalten und nachdenken wird in unserer digitalen Welt zunehmend wichtiger. Machen auch Sie den vorbeugenden Schritt und buchen Sie ein Digital Detox Wochenende, bevor dieser düstere Ausblick Wahrheit wird. Gewinnen Sie in der herrlichen Bergwelt den nötigen Abstand von Ihrem digitalen Alltag und lernen Sie gleichzeitig, schlauer und sicherer mit dem Smartphone umzugehen.

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