Bleiben Sie resilient
bleiben Sie resilient

Vor etwa zehntausend Jahren haben unsere Vorfahren einen tiefgreifenden Entscheid getroffen. Anstatt sich als Nomaden der Natur anzupassen, hatten sie entschieden, die Natur unseren Bedürfnissen anzupassen. Anstatt jagend und sammelnd durch Wälder und Wiesen zu ziehen, erfanden wir den Ackerbau und die Viehhaltung. Wilde Tiere wurden gezähmt, wobei die zahmsten belohnt wurden und die wilden meist sofort geschlachtet und verzehrt wurden. Dämme wurden gebaut und Sümpfe getrocknet, Siedlungen wuchsen zu Dörfern und Dörfer wurden zu Städten.

Suche nach dem Sinn

Dieser neolithischen Revolution folgte Jahrtausende später ab Mitte des 18. Jahrhunderts die industrielle Revolution, wo wir unsere eigene Körperkraft durch Maschinen zu ersetzen begannen. Diese ermöglichte eine einzigartige Explosion von Waren- und Nahrungsmittelproduktion, die wiederum eine Bevölkerungsexplosion (siehe untenstehende Grafik) nach sich zog. Und heute stehen wir am Anfang der kognitiven Revolution. Nachdem wir den Maschinen körperlich schon längst unterlegen sind, sind wir drauf und dran, unsere kognitiven Vorteile gegen künstliche Intelligenz (KI) zu verlieren. Was in dieser neuen Welt genau unsere Aufgabe und der neue Sinn des Lebens sein wird, weiss niemand so recht. Weder die schlausten KI-Spezialisten noch die heranwachsende Generation von orientierungslosen Menschen hat dazu schlüssige Antworten.

Naturentfremdung schwächt Resilienz

Sucht man nach einem roten Faden durch die letzten zehntausend Jahre ist es zweifellos die Entfremdung zwischen Natur und Mensch. Mit jedem «Fortschritt» sind wir von der Natur fortgeschritten und haben uns dadurch gleichzeitig fragiler gemacht. Jede technologische Errungenschaft ist ein Hammerschlag auf den Keil, den wir zwischen uns und der Natur einschlagen. Ja, natürlich sitze auch ich vor einem Grossbildschirm an meinem Laptop, der auf einem Chromstahl-Glastisch in einer angenehm temperierten Zürcher Wohnung mit Glasfaser-, Erdgas-, Wasser-, Elektrizitäts- und ÖV-Anschluss steht.

Die Lüge der Nachhaltigkeit

Uns in diesem naturfremden Komfort jedoch resilient zu glauben grenzt entweder an unerhörte Überheblichkeit oder an unsere naturgegebene Torheit. Seit Jahrhunderten durchlöchern wir die Erde und entziehen ihr alles, was brenn- und verwertbar ist. Die teils gigantischen Löcher von ausgeschöpften Minen nutzen wir dann als sogenannte «Landfills». Wir danken Mutter Natur für ihre Schätze, in dem wir ihre von unserer Gier verursachten Wunden mit Schrott und Abfall vollstopfen. Wir schämen uns dabei nicht, ständig von Nachhaltigkeit zu sprechen und überlassen es den fröhlichen Wissenschaftlern, unser schlechtes Gewissen mit Nachhaltigkeitsstudien zu übertönen.

COVID-19, ein Prank der Natur?

Jetzt spielt uns die Natur einen Prank, schickt uns ein hartnäckiges, leicht abgeändertes Virus als schädlicher Trittbrettfahrer unserer Körperzellen. Und effektiv, für tausende von fragilen Menschen mit langjähriger Krankheitsgeschichte ist der Virus tödlich, genauso wie jeder der vorgängigen Grippeviren. Diese unvorstellbar kleinen Wesen schaffen es auch, eine weltweite Hysterie und eine noch nie dagewesene Angstwelle zu erzeugen. Demut, Einsicht und Respekt sind angesagt, und zwar vermehrt gegenüber Mutter Natur und weniger gegenüber einem Guru, Gott oder Götzen.

Bleiben Sie resilient, sagt die Mülltonne

Nutzen wir die Entschleunigung genau dazu. Wie mein guter Freund vor ein paar Tagen zu mir gesagt hat: «It’s time to go home». Nähern wir uns also wieder der Natur, Schritt für Schritt. Fortschritt sollte ab sofort als ehrliche und tatsächlich nachhaltige Annäherung zur Natur gemessen werden. Dazu braucht es mehr als die beklebte Mülltonne vor meiner Haustüre, die mir empfiehlt, resilient zu bleiben. Auch ich habe noch einen langen Weg vor mir, bin aber überzeugt, dass der Zeitpunkt dafür jetzt ist. In der Zwischenzeit habe ich gelernt, Ziegen zu melken, draussen zu schlafen, wenn immer möglich das Velo zu benutzen und lokale, saisonale Gemüse und Früchte zu essen. Vegetarier bin ich seit Geburt und an einem alpinen Gartenprojekt arbeite ich seit längerem. Falls Du Interesse hast, mitzumachen, melde Dich bitte bei mir.

Bleiben sie zuhause. Bleiben Sie resilient

Bleiben wir gesund und werden wir resilient. Danke fürs Lesen.

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