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«Isch er nöd en Schnügel?»

Einige Eltern kennen beim «Sharenting» kaum Grenzen. Hier sind Gründe, warum sie das Posten von Kinderbildern besser lassen sollten.

Liebes Mamablog-Team, seit meine Schwester vor drei Jahren Mutter geworden ist, postet sie beinahe täglich Bilder ihrer Tochter auf Social Media: Ihre Tochter beim Mittagsschlaf, beim Essen, auf dem Laufrad, im Schnee – selbst beim Zähneputzen wird sie gezeigt. Ich finde, sie geht damit einen Schritt zu weit (was ich ihr auch sage). Ihre Kleine hat ja überhaupt keine Chance, «Nein» zu sagen. Was, wenn ihr die Bilder später peinlich sind? Gibt es denn überhaupt keine gesetzliche Handhabung, die Kinder davor schützen, sie auf Social Media zu «inszenieren»?
Leserfrage von Laura, 37 aus Zürich.

Liebe Lara, besten Dank für Ihre gute Frage. Um die kurze Antwort gleich vorweg zu nehmen: Ja, es gibt ein Gesetz zum Schutz der Privatsphäre von Kindern. Die UN-Kinderrechtskonvention feierte soeben ihr dreissigjähriges Bestehen und gilt auch für die Schweiz. Darin ist in Artikel 16 festgelegt, dass kein Kind «willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung oder seinen Schriftverkehr oder rechtswidrigen Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufes ausgesetzt werden darf». Kinder sind übrigens Menschen von null bis 18 Jahren. Soweit mal zum rein Juristischen.

Natürlich ist die Lage um einiges komplexer.

Es gehört nun mal zum Elternsein, dass wir auf unsere Sprösslinge stolz sind. Und dies gilt noch viel mehr für First-Time-Parents. Ich war felsenfest überzeugt, dass unser Erstgeborener mit grösster Wahrscheinlichkeit das schönste Kind ist, zumindest westlich vom Kaukasus, das je geboren wurde. Ich führte sogar eine Excel-Tabelle mit den Messdaten des Kopfumfangs und der Grösse unseres Sprösslings, um mich zu vergewissern, dass das Wachstum unseres kleinen Wunders perfekt proportional verläuft. Zwei Jahre später, nach der Geburt unserer Tochter, haben wir sie beiläufig und anstandshalber zweimal auf der Gemüsewaage bei der Italienerin im Quartier gewogen. Soweit zu unserer unausweichlichen und wahrscheinlich angeborenen Blindheit für jegliche Objektivität, solange wir im Banne unseres Nachwuchses stehen.

Elternstolz will geliked sein

Demgegenüber steht die soziale Norm, die es einem schlichtweg verbietet, ganz ehrliche Antworten auf Babyfotos zu geben. Wer hat schon jemals ein «Nein, wirklich nicht!» als Antwort gegeben, als ihr ein Smartphone mit Babyfotos und der obligatorischen «Isch er nöd en Schnüggel»-Tonspur unter die Nase gehalten wurde? Elternstolz ist also so natürlich wie die gesuchte Anerkennung im Freundeskreis über unsere freudigen Sprösslinge.

Die Kombination von hochauflösenden Smartphonekameras, 24/7-Internetzugriff und «sozialen Plattformen» ist hier quasi die ultimative Waffe, die uns Eltern eine Hebelwirkung bietet in unserem vorprogrammierten Sammeleifer von «jöö-so-herzig»-Bestätigungen. Wir wollen alle geliked werden und Babyfotos gehören nun mal zu den effizientesten Strategien, um Aufmerksamkeit und Sympathien zu generieren. Da das ganze Business-Modell der «sozialen» Medien darauf beruht, unser menschliches Grundbedürfnis der sozialen Anerkennung auszunutzen und zu monetisieren, ist es für uns fast unmöglich, der Versuchung zu widerstehen.

Gefährlicher digitaler Footprint

Das neue Phänomen von teilfreudigen Eltern nennt sich «Sharenting». Die Problematik liegt darin, dass wir Eltern die Lebensnarration unserer Sprösslinge wortwörtlich aufgleisen und online zementieren, lange bevor sie sich ihre eigene Identität bilden. Getrieben von unserem eigenen Bedürfnis, geliked zu werden, erfinden, erzählen und verkaufen wir die Geschichte unserer Kinder, ohne sie zu fragen. Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass unser Sorgerecht uns die Freiheit gibt, die Privatsphäre des Kindes frei zu gestalten, zumal es noch zu jung ist, sich zu wehren – geschweige denn, die längerfristigen Konsequenzen zu verstehen.

So kann aus der herzig verzerrten Grimasse eines Kleinkindes plötzlich eine Mobbing-Vorlage in der Sekundarstufe werden.

Es kommt immer öfters vor, dass Teenager dem von uns Eltern vorgegebenen digitalen Fussabdruck nicht folgen wollen, können oder mögen. Dies führt unweigerlich zu schwierigen Fragen, gefolgt von peinlichen Erklärungsversuchen und Unstimmigkeiten. Jugendliche, die ihre eigenen Eltern wegen Missachtung ihrer Privatsphäre eingeklagt haben, gab es bisher nur aus mangelnder gesetzlicher Grundlage nicht. Es ist jedoch ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder digitale Inhalt irgendwann, irgendwo von irgendwem aus dem Kontext gezogen wird und anders interpretiert werden kann. So kann aus der herzig verzerrten Grimasse eines Kleinkindes (geschweige denn Fötelis mit Windeln in verschiedenen Abnutzungsstufen) plötzlich eine Mobbing-Vorlage in der Sekundarstufe werden. Einmal im Netz, immer im Netz.

Passwort geschützte Familienalben als Alternative

Eine generelle Datensparsamkeit ist sicher vorteilhaft – sowohl für uns Eltern, als auch für unsere Kinder. Gemäss einer englischen Studie werden im Durchschnitt 1500 Fötelis von den eigenen Kids gepostet, bevor diese fünf Jahre alt sind.

Es ist empfehlenswert, dass wir unsere Kinder so früh wie möglich um ihre Einwilligung fragen, bevor wir drauflosposten. Und wie wäre es, wenn wir gänzlich aufs öffentliche Posten verzichteten, solange wir den Kindern die Konsequenzen nicht erklären können bzw. letztere sie noch nicht verstehen können? Online Familienalben sind genial, gehören aber generell Passwort geschützt. Unsere Zoom-Familien-Weihnachten zwischen Chile, Kanada und der Schweiz war übrigens ein Riesenerfolg. Drei Generationen scrollten zusammen durch das digitale Familienfotoarchiv, was uns die trübe
COVID-Abstandsrealität für einen Moment gänzlich vergessen liess.

Dieser Artikel wurde erstmals im Tages-Anzeiger vom 15. Januar 2021 publiziert.

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fortnite spass ja, sucht nein

FORTNITE Pilotprojekt : Spass ja, Sucht nein!

Obwohl der Fortnite Hype sich abzuschwächen scheint, ist es nach wie vor das mit Abstand beliebteste Videospiel der Schweizer Jugend. Dies stellt sowohl Eltern als auch Lehrpersonen und Schulleitungen vor enorme Herausforderungen. Um vom gamen übermüdete, abgelenkte oder agressive Kinder zu unterstützen, haben wir dieses innovative Pilotprojekt entwickelt.

Dank täglich zusammengefassten und mit allen Teilnehmenden zugänglichen Spielzeit-Statistiken wird eine Grauzone zwischen Eltern, Kindern und Schule eliminiert.

Das Pilotprojekt richtet sich an Primar- und Sekundarschulen sowie proaktive Elternräte und ist in drei Etappen aufgeteilt:

1. FORTNITE Workshop

In einer Doppellektion werden mit den Kindern Chancen und Risiken von Fortnite besprochen. Am Ende der Diskussion wird eine für alle verbindliche, täglich maximale Spielzeit ausgehandelt und vertraglich festgelegt.

2. Vertrag unter den Kindern

Die ausgehandelte tägliche Gamezeit wird im Vertrag von allen Kindern unterschrieben. Um die solidarische Verantwortung zu stärken, werden sowohl die individuellen Spielzeiten der Kinder als auch die kumulative Spielzeit der Teilnehmergruppe gemessen und in interaktiven Grafiken mit allen Teilnehmer der Gruppe geteilt.

Beispiel von individuellen Spielminuten pro Tag:

Beispiel einer Grafik mit kumulativen Spielminuten:

3. Kontrolle und Unterstützung

Die transparente und automatische Messung von Spielverhalten eliminiert Grauzonen, falsche Informationen und Annahmen. Vereinbarte Belohnungen oder drohende Bestrafungen spornen die Kinder auf spielerische Weise an, die vereinbarten Regeln im Kollektiv einzuhalten. Während Schulleitungen durch dieses Pilotprojekt die Erziehungsverantwortung klären können, stehen Eltern Coaching Einheiten zur Verfügung.

Das Pilotprojekt kann ab sofort angefordert werden und kann auch während den Sommerferien aktiviert bleiben, um eventuelle Eltern-Kind Verhandlungen (mein Kollege darf viel mehr spielen als ich…) zu vereinfachen.

Mehr dazu unter www.SpassJaSuchtNein.com

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So kauft man eine Banane im Zürcher Hauptbahnhof

Sie sind mit ihrem Nachwuchs unterwegs und möchten noch kurz eine Banane als Znüni kaufen, bevor’s ab in den Zug geht? Nichts leichter als das. Sie haben grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

Plan 1:

Sie machen es modern und elektronisch. Dazu müssen sie ein Handy mit genügend Akku und einen funktionierendem Internet Anschluss haben. So können sie die App «avec» von Valora runterladen und installieren. Um diese zu aktivieren, müssen sie ihren kompletten Namen, ihr Geburtsdatum, einen Ausweis mit Foto, Ausweisnummer und Ablaufdatum sowie ihre Nationalität hinterlegen. Desweitern natürlich ihre Kreditkarten Nummer, ihre Telefon Nummer wie auch E-Mail-Adresse. Ist dies Mal gemacht, müssen sie auch die Nutzungsbedingungen und die damit verbundene Datenschutzerklärung akzeptieren. So geben sie der Valora Schweiz AG zum Beispiel das Recht, die Kamera ihres Handys zu benutzen, ihren USB Speicher zu lesen, durch Netzwerk Verbindungsdaten ihren genauen Standort zu berechnen und ihrem Handy den Schlaf(modus) zu entziehen. Ihre persönlichen Daten können dann z.B. für Aufklärungen von Straftaten genutzt werden. Falls sie zum Beispiel überdurchschnittlich lange vor dem Tabakregal stehenbleiben, ohne zu kaufen, könnten die mit Gesichtserkennungs-Software ausgestatteten Überwachungskameras und die Bewegungssensoren dies als «verdächtig» einstufen. Könnte ja sein, dass sie entweder noch nie Zigaretten gekauft haben oder dass der Gesichtserkennungsalgorithmus sie als Minderjährig einstuft. Die Videoaufnahmen von ihrem Besuch werden dann solange gespeichert, wie es die Valora erforderlich erachtet. Valora will explizit nicht nur Straftaten aufklären, sondern diese auch proaktiv verhindern, genauso wie Tom Cruise als Precrime Detektiv im Film Minority Report.

Da sie die App entweder durch den Apple oder Google Store runtergeladen haben, sind auch Ortungs- und Identifikationsdaten von Ihnen (IP Adresse, Geräte- und Telefon Nummer etc.) mit Google und Apple geteilt worden. Somit wissen auch die amerikanischen Behörden was grad so läuft. Da kann aber Valora nichts dafür. Für «andere berechtigte Interessen» jedoch kann Valora ihre Daten auch mit ihren Tochterunternehmen teilen. So können ihre Daten durchaus mit den über 350 Back Werk Bäckereien in Deutschland, mit den Brezelkönig Läden, den Café Spettacolo und vielen anderen Valora Mitgliedern geteilt werden, denn Verkaufsförderung durch Datenanalyse kann durchaus als «berechtigtes Interesse» der Valora interpretiert werden. Die Daten werden übrigens in der Schweiz bearbeitet und dann in Cloud Servern in Deutschland und in Irland gespeichert. Falls mit diesen Rechenzentren keine für die Schweiz verbindlichen Vertragsklauseln bestehen, verlässt man sich gutgläubig auf eine «Selbstzertifizierung» dieser Unternehmen. Sollte Valora selbst mal aufgekauft werden, z.B. von Amazon oder Walmart, dann darf der neue Besitzer natürlich auch wissen, wie viele Bananen sie gekauft haben.

Also, alles akzeptiert und aktiviert. Jetzt können sie die «avec Box», d.h. den unbedienten Containerladen, betreten, indem sie einen QR Code scannen und der Box sagen, wer sie sind und dass sie genügend Geld haben, um eine Banane zu kaufen. Schnappen sie sich die Banane, wägen sie diese, und scannen sie den richtigen Code ein. Sollte es Probleme beim Scannen geben, können sie einfach die App Hotline anrufen. Es kann auch sein, dass ihr Handy Akku mittlerweile den Geist aufgegeben hat. Vergewissern sie sich in diesem Fall, dass ihr virtueller Einkaufskorb leer ist, und verlassen sie den Laden diskret, natürlich ohne Banane. Bei erfolglosem Bananenkauf auf keinen Fall den Notfall-Knopf drücken, denn dies müsste ihnen mit Umtriebskosten von Fr. 150 belastet werden.

 

Plan 2:

Griff in den Hosensack und Barbezahlung der Banane mit einem Einfränkler bei einem Gemüseverkäufer.

Foto Quelle: www.Fotoristretto.ch 

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Brauchen wir eine neue geistige Landesverteidigung?

Es geht uns gut, verdammt gut sogar. Die Lebensqualität in der Schweiz ist seit Jahren eine der höchsten der Welt und nur die Japaner können ein längeres Leben erwarten als wir. Wenn es um das pro-Kopf Reichtum geht sind wir einsame Spitze. Immer mehr zu einem special Feature im Vergleich zur geopolitischen Lage wird auch unsere funktionierende, direkte Demokratie. Auf unser beispielhaftes politisches System, wo wir alle dank Volksinitiative, Abstimmung und Referendum mitbeStimmen können, sind sogar Schweden, Kanadier und Deutsche neidisch.

Um dieses wertvolle Privileg der MitbeStimmung zu erhalten und auch in Zukunft zu schützen, werden wir im November eingeladen, um über die Selbstbestimmungsinitiative abzustimmen. An sich eine tolle und unterstützungswerte Idee, sagten sich ja schon die drei Ur-Eidgenossen, als sie sich auf dem Rütli Solidarität gegen fremde Vögte schwuren.

Doch eine funktionierende Selbstbestimmung setzt eine gesunde und objektive Meinungsbildung voraus. Glaubt man der Media Use Index 2017 Studie, ist das Internet via Smartphone die meistbenutzte News Quelle der Schweizerinnen und Schweizer während Tageszeitungen die grossen Verlierer sind. Der Reihe nach die beliebtesten Smartphone Apps sind WhatsApp, Facebook und Instagram. Da alle dieser drei Apps bzw. Plattformen dem Facebook Konzern gehören, müssen wir davon ausgehen, dass Facebook eine unheimliche Macht auf unsere Meinungsbildung hat.

Eine funktionierende Selbstbestimmung setzt eine gesunde und objektive Meinungsbildung voraus

Facebook hat jedoch herzlich wenig mit einem News Outlet zu tun, sondern ist ein börsenkotiertes US Software Unternehmen, das zu vierteljähriger Gewinnmaximierung für ihre Aktionäre verpflichtet ist. Anstatt informative Inhalte teuer selbst zu produzieren, werden die Nutzer mit dopamingenerierenden «likes» abgespiesen und durch nutzergenerierte Inhalte vor dem Bildschirm gehalten. Anstatt durch objektive Berichterstattung Reichweite aufzubauen, werden Fake News als click baits geduldet und deren Erstellung selbstverständlich an die Nutzer delegiert. Vermeidet Kosten und Verantwortung. Teure Vertriebskosten werden clever an die Nutzer abgewälzt, denn die personalisierten «News» sind ja unseren individuellen «Bedürfnissen» angepasst, damit wir die «News» dann auch mit unseren «Freunden» weiterleiten. Auch teure Bilderrechte für sympathische Werbeträger können demnächst vermieden werden. Facebook arbeitet an einem Programm, dass aus den Gesichtern meiner besten «Freunden» ein Gesicht einer virtuellen Person erstellt, die mir dann bekannt und vertrauenswürdig gleich neben der Werbebotschaft präsentiert wird. Da eine objektive oder sogar kritischen Berichterstattung weder «like-» noch «share-freundlich» wäre, sind die Nachrichten-Sortier-Algorithmen so programmiert, dass sie vorhandene Meinungen bestätigen.

Kurz, Facebook ist eine noch nie dagewesene Konzentration von Intelligenz, basierend auf einer quasi Echtzeit Datenanalyse unseres Nutzungsverhalten. Dies im Dienst der Werbetreibenden und allenfalls Regierungs-Organisationen, die uns Nutzer als Produkt kaufen.

Solange wir unsere persönlichen Daten gegen oberflächliche Gratisunterhaltung tauschen und diese zunehmend als «Nachrichten» verwechseln, hilft auch die beste Selbstbestimmungs-Gesetzgebung nichts. Wie der Cambridge Analytica Skandal von Facebook gezeigt hat, ist das Missbrauchspotential von zentralisierten Daten gewaltig.

Als die Ideologie des deutschen Nationalsozialismus und des italienischen Faschismus vor und während dem 2. Weltkrieg einen zu starken Einfluss auf die schweizerische Meinungsbildung ausübte, wurde die sogenannte «geistige Landesverteidigung» als Gegenoffensive lanciert. Als solidarischer Widerstand gegen die Propaganda des Nationalsozialismus und als Schutz unserer kulturellen Identität war die «geistige Landesverteidigung» eine vielfältige Bewegung und Zusammenarbeit zwischen Politiker, Intellektuellen, Medienschaffenden und «Influencern».

Ich vergleiche hier keinesfalls die Ziele des Nazi Deutschland mit denjenigen von Facebook, sondern vielmehr deren technologischen Möglichkeiten, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen und zu lenken. Gegenüber öffentlichem Bücherverbrennen und Radiohörverboten unter Todesstrafe sind die unsichtbaren Meinungslenkungsmöglichkeiten von Facebook um ein Vielfaches subtiler und stellen genau deshalb ein enormes Missbrauchspotenzial dar.

Brauchen wir eine neue «geistige Landesverteidigung», um uns vor algorithmisch gesteuerten «Nachrichten» zu schützen, deren Interessen wir zwar nicht kennen, die uns aber besser kennen als wir uns selbst? Oder sind wir schlau genug, um das Spiel der Algorithmen zu durchschauen? Oder doch nur alles Angstmacherei und Verschwörungstheorien?

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Hallo Mami, ich bin 11 und schwanger von meinem Bruder

Seit zwei Wochen gilt in der EU und per se auch in der Schweiz die neue Datenschutz Grundverordnung. Während diese strengere Gesetzgebung absolut begrüssenswert ist und längst fällig war, ist kritisches Denken und Medienkompetenz nach wie vor der mit Abstand beste Schutz unseres Privatlebens.

Erinnern wir uns, dass Datenschutz nicht zwingend Schutz unserer Privatsphäre bedeutet. Wie der Begriff erraten lässt, geht es beim Datenschutz in erster Linie um die Sicherung und den Schutz von Daten, sowohl physisch (geschützte Server in gekühlten Räumen) als auch technologisch (verschlüsselt und gegen Hackerattacken gesichert). Was uns jedoch als digitale Bürgerinnen und Bürgen interessieren muss ist vielmehr der Schutz unserer Privatsphäre.

Wie mein kleines Experiment zeigt, fängt dieser Schutz bei uns zu Hause an. Ein einfacher wie beunruhigender Einblick in unser eigenes Verhältnis zu unserer Privatsphäre ist die automatische Vervollständigung von Suchbegriffen bei Google. Basierend auf einer Mischung von unserer eigenen Such-Historie sowie populären Suchabfragen in unserer Sprachregion vervollständigt Google unsere Suche, bevor wir fertig geschrieben haben. Wenn wir z.B. eine Google Suchanfrage starten mit «warum ist…», schlägt uns Google als Erstes «…die Banane krumm», als Zweites «…der Himmel blau» und als Drittes «…die Schweiz so reich» vor.

Ich bin ein 48-jähriger Vater von zwei Teenagern und habe mit einem privaten Browserfenster in Firefox, aktiviertem Tracking Blocker und gelöschten Cookies Google vorgeschaukelt, ich sei 12, 14 oder 15 Jahre alt um zu wissen, was hierbei die populärsten Suchbegriffe sind. Und hier sind die jeweils zehn populärsten Suchanfragen, die mir Google automatisch vorschlägt:

Ersetzen Sie «Hallo Google» mit «Hallo Mami und Papi» und lassen Sie die Resultate kurz auf sich wirken. Diese einfache Veranschaulichung macht bewusst, wie wichtig eine offene Gesprächskultur zwischen Eltern und Kinder sowie ein kompetenter Umgang mit digitalen Medien ist. Hier sind einige Tipps, wie sie sich und ihre Kinder besser schützen können:

Vermeintliche Anonymität – Vergegenwärtigen Sie sich konstant, dass es eine absolute Anonymität im Internet nicht gibt. Mit jedem Klick, like oder share hinterlassen wir Spuren. Diese Spuren werden von den Dienstleistungsanbietern gesammelt, analysiert und zu Persönlichkeitsprofilen zusammengestellt um die Daten an Werbetreibende als Zielgruppen zu verkaufen.

Vorbildrolle – Was wir unseren Kindern sagen ist etwa zehn Mal weniger wichtig als was wir ihnen vorleben. Wenn wir also vor unserem Smartphone kleben, nach unseren Badeferien sofort alle Fotos hochladen und im Minutentakt nachschauen, wer was gelikt hat, werden wir unserer Vorbildrolle offensichtlich nicht gerecht. Ein bewusster und gemässigter Gebrauch von digitalen Medien muss von uns vorgelebt werden, bevor wir diesen von unseren Kindern verlangen können.

Gratis gibt es nicht – Wenn wir für ein Produkt, das wir brauchen, nichts bezahlen, sind wir das Produkt, das gebraucht wird. Es muss und deshalb nicht verwundern, dass Facebook, Google, Amazon und Cie. fleissig Daten sammeln, da diese unsere Daten die Hauptertragsquelle darstellen.

Kommunizieren – Sprechen sie regelmässig mit ihren Kindern. Seien sie interessiert, ohne dabei mit dem gehobenen Zeigfinger das Videospiel im vornherein zu verteufeln. Zeigen sie echtes Interesse und stellen sie offene Fragen wie z.B. «warum spielst du dieses Game so gerne?», «was reiz dich daran?», «warum denkst du, das dies gratis ist?»

Warum ist all dies so wichtig? Ganz einfach weil unsere persönlichen Daten sehr schnell zu aussagekräftigen Persönlichkeitsprofilen wachsen. Und wer auch immer diese Daten besitzt und deuten kann, kann aussagkräftige Informationen über unser bisheriges und zukünftiges Verhalten machen. Wir werden berechenbar und entsprechend manipulierbar. Ein Blick nach China und sein «soziales Bewertungssystem» gibt uns einen Einblick auf was internationale Konzerne oder zunehmend datengetriebene Staaten mit unseren Daten anstellen können. Ein konstantes Daten-Bewusstsein und ein entsprechend sparsamer Umgang mit unseren eigene Daten ist der mit Abstand bester Schutz unserer Privatsphäre.

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