Liebe Jungs, liebe Mädels, hier nun mal was wirklich Nützliches: Eine Lifehack-Liste, um mit euren Eltern sachlich zu argumentieren, anstatt gleich auszurasten, wenn ihr mal wieder inmitten eines epischen «Fortnite»-Games gestört werdet. Tipp, falls Letzteres eintrifft: Tief durchatmen, cool bleiben und wie Rockstars verhandeln. Die einzelnen Punkte könnt ihr beliebig kombinieren. Viel Erfolg!
1. Soziale Verantwortung
«Fortnite» hilft mir, meine sozialen Kompetenzen zu festigen und auszuweiten. Beim «Battle Royal»-Modus gibt es am Ende nur einen Gewinner bzw. ein Gewinner-Team. Ohne vorgängiges Abmachen, pünktliches Erscheinen und präzise Absprachen vor dem Spiel geht gar nix. Bei jedem Spiel lerne ich übrigens viel Zwischenmenschliches über meine Teamkollegen.
2. Strategisches Denken
Papi, was du mir von deinem «offsite meeting» im Büro erzählt hast über Zukunftsszenarien ausdenken und im Team präsentieren, dafür habe ich keine Zeit. Mein strategisches Denken muss ich in Echtzeit abrufen können. Baue ich eine Festung? Springen wir zusammen oder zeitlich versetzt auf die Insel? Attackieren wir oder verstecken wir uns? Dies sind nur einige von unzähligen strategischen und taktischen Szenarien, über die ich als Einzelspieler oder Teamplayer entscheiden muss. Ein falscher Entscheid ist meist tödlich.
3. Empathie
Da jedes «Fortnite»-Game mit mindestens 96 unbekannten Spielern und Spielerinnen startet, hilft es mir, mich in meinen Feind einzufühlen. Wenn ich etwa einen Gegner mit einem Galaxy Skin vor mir sehe, beobachte ich ihn kurz aus sicherer Distanz, um rauszufinden, ob er wirklich so gut ist, wie der happige Preis seines Skins erahnen lässt. Weisch, würde ich vor Ehrfurcht erstarren, erginge es mir etwa so wie dir, wenn du inmitten einer Strassenkreuzung stehen bleiben würdest, um einem Maserati nachzuschauen.
4. Belastbarkeit
Ha! Hast du schon mal einen Stellenbeschrieb gesehen, in dem nicht nach einer belastbaren Persönlichkeit gesucht wird? Genau, meine Belastbarkeit wird auf Herz und Nieren geprüft. Je länger ich überlebe, desto enger das Spielgelände, desto extremer die Belastung. Dank solcher Belastungsproben kann ich übrigens den Prüfungsstress in der Schule besser bewältigen.
5. Konzentration
Jetzt verstehe ich endlich, was du meinst, wenn du mir bei den Hausaufgaben immer wieder sagst, ich solle mich konzentrieren. Während der zwanzig bis dreissig Minuten eines «Fortnite»-Spiels ist volle Konzentration Voraussetzung, nur so kann man gewinnen – und Teamkameraden vor einem Sniper warnen.
6. Solidarität
Wie ich dir schon beim Punkt der sozialen Verantwortung erklärt habe, ist ein eingespieltes Team total wichtig. Gegenseitiges Vertrauen und eine eingespielte Abgeklärtheit unter Kollegen bauen wir langsam auf und pflegen es entsprechend. Und falls einer meiner Freunde in der Hitze des Gefechts fallen sollte, entscheiden wir uns in Echtzeit via Headsets, ob es die Lage erlaubt, einige Sekunden dem Opfer beizustehen – um ihn mit dieser solidarischen Geste unter Todesgefahren wiederzubeleben. Quasi virtuell gelebte Nächstenliebe mit Auferstehung.
7. Reaktionsfähigkeit
Selbstverständlich muss ich mein Arbeitswerkzeug beherrschen. Ein falsches Tippen auf dem Handy oder ein verzögerter Tastengriff kann fatal sein.
8. Durchhaltevermögen
Falls meine Freunde tragischerweise umgekommen sind und ich sie nicht wiederbeleben konnte, gilt es, durchzuhalten. Dabei lerne ich etwa auch, meinen Rachegelüsten zu widerstehen, um mich nicht zusätzlichen Gefahren auszusetzen. Was ihr in der Geschäftsleitungssitzung Risikomanagement nennt, eigne ich mir spielerisch an und merke mir meine Fehler für jede neue Runde. Die ultimative Anerkennung meines Durchhaltevermögens ist es natürlich, wenn ich als einziger Überlebender das Spiel gewinne und ich somit meinen verlorenen Mitspielern zu posthumaner Ehre verhelfen kann.
9. Räumliches Vorstellungsvermögen
Mami, stell dir vor, du bist in einer unbekannten Grossstadt allein im Auto unterwegs und plötzlich versagt dein GPS. Total verloren, gäll? Dank meinen regelmässigen «Fortnite»-Einsätzen habe ich gelernt, mir komplexe Karten zu merken und diese im Game wiederzuerkennen. Mit diesem Skill und dem alten Strassenatlas im Handschuhfach könnte ich dir wahrscheinlich weiterhelfen und dich sicher ans Ziel bringen.
10. Spass
Verstehst du jetzt, dass es sich nicht um ein «Scheiss-Ballergame» handelt? Ich eigne mir spielerisch viele Kompetenzen fürs Leben an und habe sogar Spass daran. Gerne lade ich dich ein, mir beim nächsten Spiel über die Schultern zu schauen, anstatt ohne Vorwarnung das Wi-Fi-Signal auszuschalten. Bitte schreibe deine Fragen auf, damit ich mir nach dem Game Zeit nehmen kann, dir alles genau zu erklären. Danke.
Dieser Artikel ist erstmals im Tages-Anzeiger vom 28. November 2018 erschienen