Hallo Mami, ich bin 11 und schwanger von meinem Bruder
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Seit zwei Wochen gilt in der EU und per se auch in der Schweiz die neue Datenschutz Grundverordnung. Während diese strengere Gesetzgebung absolut begrüssenswert ist und längst fällig war, ist kritisches Denken und Medienkompetenz nach wie vor der mit Abstand beste Schutz unseres Privatlebens.

Erinnern wir uns, dass Datenschutz nicht zwingend Schutz unserer Privatsphäre bedeutet. Wie der Begriff erraten lässt, geht es beim Datenschutz in erster Linie um die Sicherung und den Schutz von Daten, sowohl physisch (geschützte Server in gekühlten Räumen) als auch technologisch (verschlüsselt und gegen Hackerattacken gesichert). Was uns jedoch als digitale Bürgerinnen und Bürgen interessieren muss ist vielmehr der Schutz unserer Privatsphäre.

Wie mein kleines Experiment zeigt, fängt dieser Schutz bei uns zu Hause an. Ein einfacher wie beunruhigender Einblick in unser eigenes Verhältnis zu unserer Privatsphäre ist die automatische Vervollständigung von Suchbegriffen bei Google. Basierend auf einer Mischung von unserer eigenen Such-Historie sowie populären Suchabfragen in unserer Sprachregion vervollständigt Google unsere Suche, bevor wir fertig geschrieben haben. Wenn wir z.B. eine Google Suchanfrage starten mit «warum ist?», schlägt uns Google als Erstes «?die Banane krumm», als Zweites «?der Himmel blau» und als Drittes «?die Schweiz so reich» vor.

Ich bin ein 48-jähriger Vater von zwei Teenagern und habe mit einem privaten Browserfenster in Firefox, aktiviertem Tracking Blocker und gelöschten Cookies Google vorgeschaukelt, ich sei 12, 14 oder 15 Jahre alt um zu wissen, was hierbei die populärsten Suchbegriffe sind. Und hier sind die jeweils zehn populärsten Suchanfragen, die mir Google automatisch vorschlägt:

Ersetzen Sie «Hallo Google» mit «Hallo Mami und Papi» und lassen Sie die Resultate kurz auf sich wirken. Diese einfache Veranschaulichung macht bewusst, wie wichtig eine offene Gesprächskultur zwischen Eltern und Kinder sowie ein kompetenter Umgang mit digitalen Medien ist. Hier sind einige Tipps, wie sie sich und ihre Kinder besser schützen können:

Vermeintliche Anonymität ? Vergegenwärtigen Sie sich konstant, dass es eine absolute Anonymität im Internet nicht gibt. Mit jedem Klick, like oder share hinterlassen wir Spuren. Diese Spuren werden von den Dienstleistungsanbietern gesammelt, analysiert und zu Persönlichkeitsprofilen zusammengestellt um die Daten an Werbetreibende als Zielgruppen zu verkaufen.

Vorbildrolle ? Was wir unseren Kindern sagen ist etwa zehn Mal weniger wichtig als was wir ihnen vorleben. Wenn wir also vor unserem Smartphone kleben, nach unseren Badeferien sofort alle Fotos hochladen und im Minutentakt nachschauen, wer was gelikt hat, werden wir unserer Vorbildrolle offensichtlich nicht gerecht. Ein bewusster und gemässigter Gebrauch von digitalen Medien muss von uns vorgelebt werden, bevor wir diesen von unseren Kindern verlangen können.

Gratis gibt es nicht ? Wenn wir für ein Produkt, das wir brauchen, nichts bezahlen, sind wir das Produkt, das gebraucht wird. Es muss und deshalb nicht verwundern, dass Facebook, Google, Amazon und Cie. fleissig Daten sammeln, da diese unsere Daten die Hauptertragsquelle darstellen.

Kommunizieren ? Sprechen sie regelmässig mit ihren Kindern. Seien sie interessiert, ohne dabei mit dem gehobenen Zeigfinger das Videospiel im vornherein zu verteufeln. Zeigen sie echtes Interesse und stellen sie offene Fragen wie z.B. «warum spielst du dieses Game so gerne?», «was reiz dich daran?», «warum denkst du, das dies gratis ist?»

Warum ist all dies so wichtig? Ganz einfach weil unsere persönlichen Daten sehr schnell zu aussagekräftigen Persönlichkeitsprofilen wachsen. Und wer auch immer diese Daten besitzt und deuten kann, kann aussagkräftige Informationen über unser bisheriges und zukünftiges Verhalten machen. Wir werden berechenbar und entsprechend manipulierbar. Ein Blick nach China und sein «soziales Bewertungssystem» gibt uns einen Einblick auf was internationale Konzerne oder zunehmend datengetriebene Staaten mit unseren Daten anstellen können. Ein konstantes Daten-Bewusstsein und ein entsprechend sparsamer Umgang mit unseren eigene Daten ist der mit Abstand bester Schutz unserer Privatsphäre.

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